Wann wollen die eigentlich je sparen?

Österreichs Budgetpolitik: In schlechten Zeiten machen wir Schulden, in guten Zeiten machen wir Schulden.

Dass die Neuverschuldung der Republik (also: die zusätzlichen Steuern von morgen) 2007/2008 mit jeweils knapp unter einem Prozent vom Bruttosozialprodukt eher gering ausfallen wird, ist nur auf den ersten Blick Ausfluss einer besonders „disziplinierten und klugen“ Finanzpolitik dieser Regierung, wie dies Minister Molterer in seiner Budgetrede behauptete.

Bei nüchterner Betrachtung ist nämlich nicht diszipliniert, sondern geradezu frivol, dass der Staat am (jedenfalls vorläufigen) Höhepunkt einer satt brummenden Wirtschaftsentwicklung überhaupt auch nur einen einzigen Euro neuer Schulden aufnimmt; von den budgetierten Milliarden frischer Kredite ganz zu schweigen. In einer derart günstigen Lage müsste das Budget vielmehr einen satten Überschuss ausweisen – und nicht neue Schulden.

Angesichts einer trotz Hochkonjunktur auch weiter hart an der Oberkante dessen, was in der Euro-Zone überhaupt zulässig ist, dahinschrammenden Verschuldung drängt sich daher die nicht ganz unbedeutende Frage auf: Wann, bitte, wollen die eigentlich sparen? Wann wollen die eigentlich einmal die Staatsschulden signifikant senken, anstatt ewig weiter auf Kosten der nächsten Generationen zu leben?

Zu vermuten ist bedauerlicher Weise: in Wahrheit nie. Denn auch wenn derzeit die meisten Experten davon ausgehen, dass wir möglicherweise noch eine paar Jahre freundlichen Wirtschaftswachstums in der Gegend von drei Prozent vor uns haben – irgendwann sind die guten Zeiten mit Sicherheit wieder vorbei. Und dann wird eine Regierung, die jetzt nicht willens ist, den Schuldenstand zu reduzieren, schlicht und ergreifend nicht imstande sein, ihn abzubauen.

Dass es durchaus möglich ist, die Verbindlichkeiten der öffentlichen Hände in guten Jahren dramatisch abzubauen, ohne dass deshalb gleich Massenelend und Hungersnöte ausbrechen, haben beispielsweise die skandinavischen Staaten bewiesen; Dänemark etwa weist seit 1997 Jahr für Jahr Überschüsse in seinen Budgets aus – allein 2005 waren es stolze vier Prozent, die der Staat weniger ausgab, als er einnahm, und damit den Schuldenberg von 600 Milliarden Kronen (1997) auf 400 Milliarden (2005) abbaute. Um 2015 herum dürfte Dänemark mehr oder weniger schuldenfrei sein.

So etwas wäre natürlich auch in Österreich möglich. Vor allem aber wäre es auch wünschenswert: Denn ohne Abbau der Staatsschulden wird es auf mittlere Sicht weder machbar sein, auf eine allfällige Rezession mit zusätzlichen Staatsausgaben zu reagieren noch die Steuerlast irgendwann wieder in weniger unsittliche Regionen abzusenken. Denn irgendwer muss ja zumindest die Zinsen dieser gewaltigen Schuldenflut bedienen, wohingegen etwa die Dänen schon in ein paar Jahren jene Milliarden, die wir an Zinsen zahlen, für Bildung ausgeben können.

Gewiss: Dass in den beiden nächsten Jahren die Schulden der Republik voraussichtlich langsamer wachsen werden als die Wirtschaft insgesamt, stellt schon einen gewissen Fortschritt dar. Es ist freilich, gemessen an den skandinavischen Beispielen, ein eher bescheidener Fortschritt.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2007)


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