Die tanzende Nomadin

Eine Engländerin, die sich durch Bewegung verständigt: Liz King, Tänzerin und Choreografin, lässt sich für das Festival "Österreich tanzt" einiges einfallen. Das Publikum darf Star werden. (Niederösterreich/Burgenland/Tirol/Wien)

Heimatlos ist sie nicht, auch wenn sie als ­Nomadin von Wüste zu Wüste zieht. Zurzeit hat Liz King ihre Zelte zwar im Burgenland aufgeschlagen, doch ihre wahre Heimat ist die Bewegung, der Tanz als „schönste Form der Verständigung“. Deshalb ist sie immer weitergezogen: vom englischen ­Salisbury, wo sie geboren ist, nach London, wo sie ihre Ballettausbildung erhielt, nach Stuttgart, wo sie im legendären ­Ensemble von John Cranko ihr erstes ­Engagement bekam, dann nach Belgien, um im Ballet royal de Wallonie zu tanzen. Damit waren Kings tänzerische Lehrjahre zu Ende, nicht aber die Wanderjahre.

Wien war der nächste Rastplatz, nicht gerade eine blühende ­Oase des Tanzes. Liz King entwickelte ­missionarische Fähigkeiten, gründete 1982 gemeinsam mit Manfred Biskup das TanztheaterWien und konnte als Tänzerin und ­Choreografin mit ihrem Ensemble (vor allen Esther Linley und Harmen Tromp) bald auch außerhalb Wiens begeistern. Die Wüste begann zu blühen, und die Nomadin zog mit Mann und zehnjährigem Sohn Max weiter nach Heidelberg. Sieben Jahre lang leitet sie das Heidelberger Ballett, versucht die konservative Universitätsstadt aufzulockern, kämpft mit den Honoratioren in Politik und Kultur und erzählt in ihren Stücken vom Fremdsein. Die Heidelberger gewöhnen sich nur langsam an Kings anspruchsvolle Tanzsprache, kommen erst in Bewegung, als die Company international auffällt, jubeln endlich, als Kings Choreografie „Westwest“ für das ­Berliner Theatertreffen vorgeschlagen wird. Die Wüste lebt, die Karawane zieht weiter. Zurück nach Wien; Neugründung von TanztheaterWien, 1999 Engagement als Ballettchefin an der Volksoper. Das Einstandsstück „Schwanensee Remixed“ wird zur Publikumsattraktion. Der Direktionswechsel beendet die Ära King nach vier Jahren. Kein Grund zur Traurigkeit für die energiegeladene Nichtsesshafte. Tapetenwechsel macht lustig. Also reist die Choreografin durch die Welt und setzt ihr gesellschaftliches Engagement in die Tat um, etwa in Rio de Janeiro, wo sie mit Jugendlichen aus den Favelas arbeitet.

Tanz versteht jeder

Der Sprung von dort nach Pinkafeld ist nicht so weit, wie es auf der Landkarte scheint. Das Kommunikations- und Ausdrucksmittel Tanz funktioniert da wie dort, und King beginnt wieder mal, an ihrem Verständigungsnetzwerk zu weben. Gemeinsam mit dem geborenen Burgenländer Biskup, seit TanztheaterWien-Tagen im Team, gründet sie 2006 D.ID / Dance Identity: Burgenland soll Tanzland werden. Ein paar Aufführungen am Abend sind ihr zu wenig, aus Zuschauenden sollen Tanzende werden. King arbeitet in Schulen und lässt Laien und Profis gemeinsam tanzen. Trainingsort ist die Halle einer aufgelassenen Textilfabrik gleich neben der Fachhochschule in Pinkafeld. Die dort trainierten „Bgld. Break Boyz“ loben die Meisterin. Entschlossen und optimistisch, wie sie alle ihre Projekte angeht, hat King dem Burgenland auch ein Tanzfestival beschert. Zur zweiten burgenländischen Tanzwoche im  Mai hat sie mit Charme und Überzeugungskraft renommierte Tänzer und Gruppen aus aller Welt nach Oberwart gelockt. Chris Haring etwa aus Wien, x.IDA aus Linz, die Kana­dierin Christina Medina aus Graz und natürlich die Bgld. Break Boyz sollen das Burgenland tanzen lassen.

Schwirren vor Lebendigkeit

Niederösterreich tanzt schon länger, war doch der Intendant des Festspielhauses St. Pölten, Michael Birkmeyer, als erster Solotänzer an der Wiener Staatsoper einst selbst der Dancing Star. Genug ist ja nie genug, und so hat er Liz King als Kuratorin für das Festival „Österreich tanzt“ eingeladen. Den Titel nimmt die Neo­burgenländerin wörtlich, erweitert ihn um das Motto „Embody Dance – Tanz verkörpern“. „Das Festspielhaus soll nur so schwirren vor Lebendigkeit“, wünscht sie sich und zieht den Vorhang nicht nur für die professionelle Tanzelite hoch, sondern für „alle Menschen, die etwas über Tanz erfahren wollen. Ich will eine breitgefächerte Verkörperung des Tanzes anbieten; in meinem Programm finden sich professionelle Ensembles, Solistinnen, Schüler und Laien.“ Im Vergleich zur Gründerzeit in den 80er Jahren sieht Liz King den Tanz „heute viel weniger körperspezifisch und ästhetisch begrenzt und für so viele Menschen offen“. Geschickt definiert sie die aktuellen Absichten des Bühnentanzes, die nicht unbedingt die ihren sind: „Damals war Österreich eine sehr karge Landschaft; wir haben versucht, etwas aufzubrechen. Danach waren vor allem Ensembles tätig, später ging die Entwicklung in Richtung einer ästhetischen Individualisierung und zu einer Art ‚Concept Dance‘.“ Für das Festival in St. Pölten wünscht sie sich „eine selbstverständliche Akzeptanz der Verschiedenartigkeit und ­Lebendigkeit des Tanzes“.

Österreich tanzt 2007

Festspielhaus St. Pölten
20. bis 23.6., Workshops ab 18. Juli 2007.
www.festspielhaus.at

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