Starker Präsident, starke Opposition

Die Ausgangspositionen nach der französischen Parlamentswahl.

Nach wie vor herrscht in Frankreich die Republik der beiden „Ufer“: die Rechte konnte die Präsidentenmehrheit von Nicolas Sarkozy bestätigen und parlamentarisch verankern, wenn auch nicht in dem vorausgesehenen breiten Ausmaß. Die Linke bildet nun eine starke Opposition, und entgegen aller Prognosen konnte sich die KPF behaupten, obwohl sie als völlig geschlagen galt. Für die sozialistische Partei geht es nun um ihre Neufundierung nach dem personellen Zwist in der Parteiführung.

Ein erfreuliches Zeichen zunächst für die französische Demokratie: die Ausschaltung der Nationalen Front, die somit keine parlamentarische Plattform für rechtspopulistische Ideologie bekommt. Hier liegt eine Besonderheit des französischen Systems, das aufgrund des Mehrheitswahlrechts in diesem Fall eine Garantie für die Beibehaltung einer republikanischen politischen Kultur bildet. Auch wenn die Lepenisierung der Politik vorangeschritten ist und zur Normalisierung und Akzeptanz von solchen Begriffen wie „nationaler Identität“ anstatt republikanischer Identität oder „positiver Diskriminierung“ anstatt Diversität führt.

Die politische Mitte von Francois Bayrou wird zwar durch einige Abgeordnete vertreten, aber sie ist tot, wenn sie als selbstständige Partei unabhängig von rechts oder links je existiert hat. Die Abgeordneten der neuen Mitte, die Francois Bayrou zu Gunsten Nicolas Sarkozys verlassen haben, werden eine eigene Fraktion neben der UMP bilden können, aber keine eigenständige Position mehr artikulieren können, weil ihnen die politische Glaubwürdigkeit fehlt: In den Augen der Linken wie der Rechten gelten sie als Opportunisten.

Für die Sozialisten hat sich der Hickhack an der Parteispitze verheerend ausgewirkt. Weil es schon lange keine breite programmatische Diskussion mehr gibt und nur das übliche Ritual der Anträge bei Parteitagen die innerparteiliche Diskussion einigermaßen belebt, hat die PS für viele linken Wähler keine echte Alternative bedeutet. Es war u. a. ein Grund für die hohe Stimmenenthaltung bei den beiden letzten Wahlgängen, wobei die Rechte ihre Wähler offensichtlich noch viel weniger mobilisiert hat als die Linke. In den Vororten der Großstädte und bei jungen Wählern, die in ihrer Mehrheit Ségolène Royal gewählt haben, hat erstaunlicherweise die totgesagte KP gepunktet. Trotzkysten und Attac-Anhänger erhoffen sich die Geburt einer neuen Linken. Die Grünen, die die geringe Anzahl ihrer Abgeordneten halten konnten, haben parlamentarisch beschlossen, mit der KP zusammen eine eigene Linksfraktion zu bilden.

Neue Linke in der Offensive

Daher wird eine Neufundierung der PS nicht nur eine Überlebensstrategie, sondern die Notwendigkeit sein, sich gegenüber dieser neuen Linken zu positionieren, die in die Offensive geht. Die Personaldiskussion und ihre private Dimension Royal-Hollande kann sich dabei eher als negativ auswirken, weil sie die Programmdiskussion in den Hintergrund verlegt. Die „démocratie participative“ von Ségolène Royal gehört hinterfragt. Die Bilanz ihres ganzen Wahlkampfes auch. Dass allerdings eine Frau die PS führen könnte, ist eine der wenigen Utopien, die die Partei bewegen kann.

Gastprof. Dr. Michel Cullin ist Leiter der Arbeitsstelle für österreichisch-französische Beziehungen an der Diplomatischen Akademie.


meinung@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.