Slowakei: Ein Jahr Fico: Was er versprach – und was er hielt

Der Sozialdemokrat Robert Fico wollte aus der Slowakei einen „Sozialstaat europäischen Standards machen“. Nur wenige Vorhaben hat er verwirklicht.

PRESSBURG. Seit einem Jahr hat der sozialdemokratische Ministerpräsident Robert Fico in der Slowakei die Macht, aus dem verhassten „neoliberalen Experiment auf Kosten der Bevölkerung“ wieder einen „Sozialstaat europäischen Standards“ zu machen, wie er im Wahlkampf versprach.

Bei den Parlamentswahlen Mitte Juni 2006 demonstrierten die Wähler mit überzeugender Mehrheit, dass sie von der in internationalen Investorenkreisen bewunderten unternehmerfreundlichen Radikalreform des damaligen Ministerpräsidenten Mikulás Dzurinda und seines Finanzministers Ivan Miklos die Nase voll hatten. Nach dem Regierungswechsel von Mitte-Rechts zu Links-National sollte in der Wirtschaftspolitik kein Stein auf dem anderen bleiben, freuten sich Gewerkschafter und fürchteten Unternehmer.

Speziell das „Flaggschiff“ (Zitat Miklos) des Reformwerks, die Einheitssteuer von 19 Prozent auf alle Einkommen von Privaten und Firmen, von der Blumenverkäuferin bis zum Konzernchef und vom Souvenirständchen bis zum Automobilkonzern (für den es aber Ausnahmen gibt), sollte durch ein „typisch europäisches“ progressives Steuersystem ersetzt werden.

Ein Jahr später hatten Firmenbuchhalter und selbstständig Erwerbstätige wenig Zeit, einen Vergleich zu bilanzieren. Sie waren bis 2.Juli (die meisten in letzter Minute, wie es dem nationalen Umgang mit bürokratischen Verpflichtungen entspricht) damit befasst, ihren Jahresausgleich für die Krankenversicherung zu machen.

Liberale Flat-Tax beibehalten

Dabei müssen sie die Angaben der längst abgeschickten Steuererklärung in anderer Aufteilung in ein anderes Formular umschreiben, um nachträglich die tatsächliche Höhe der vorgeschriebenen Beiträge zu eruieren. Diese Schreibarbeit wollte Ficos neue Garde sofort abschaffen.

Während von diesem und vielen anderen Wahlversprechen nichts geblieben ist, wird man bei anderen nach gutwilliger Suche fündig: Von Abschaffung der Flat-Tax ist zwar keine Rede, aber die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Medikamente gibt dem sonst unveränderten Einheitssatz wenigstens eine symbolische Schattierung. Die Einkommenssteuer blieb bei 19 Prozent, aus der vollmundig angekündigten „Millionärssteuer“ ist eine eher symbolische Streichung einer Steuerfreipauschale für alle über 1500 Euro monatlich reichenden Einkommen geworden. Die auf viel Papier kalkulierte und diskutierte Idee einer Sondersteuer für Banken und andere „Monopole“ hat man ins Altpapier entsorgt.

Sollte Ficos Wählern angesichts solcher Widersprüche zwischen Ankündigung und Realisierung aber schlecht werden, kommen sie in den Genuss der sichtbarsten tatsächlich realisierten Maßnahme: Die von der Vorgängerregierung eingeführte Ambulanzgebühr für Arzt- und Krankenhausbesuche von umgerechnet 0,6 bzw. 1,5 Euro ist wirklich abgeschafft worden! So ist Fico trotz aller nichterfüllten Wahlversprechen bei den Wählern der beliebteste Politiker seit der Staatsgründung.

Im Unterschied zur Steuer- und Sozialpolitik hat die Fico-Regierung aber in einem anderen Bereich tatsächlich mit kräftigem Paukenschlag ihre Ankündigungen wahr gemacht, nämlich beim Stopp der großen Privatisierungen: Dass die ÖBB die slowakische Gütereisenbahn nicht kaufen konnten, ist in den Medien kein Thema mehr.

Privatisierungsstopp mit Folgen

Beim Nichtverkauf des Flughafens Bratislava an den Flughafen Wien kommt die Regierung aber gewaltig ins Schwitzen, den Eindruck zu verwischen, sie hätte einen großen Fehler gemacht. Der Hauptstadt-Flughafen verzeichnete ohne nennenswertes Zutun der Politik alljährlich traumhafte Zuwächse bei den Passagierzahlen, litt aber unter Kapitalmangel für Infrastrukturmaßnahmen. Nachdem mit der Absage der Privatisierung auch die vom Käufer versprochene Milliarden-Investition in den Wind geschrieben ist, stagniert das Wachstum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2007)

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