Konferenz: Wenn der Briefträger auch gleich Zigaretten bringt

Ein hochkarätiger Kongress beschäftigt sich im September in Wien mit der Zukunft von Markenartikeln und dem Einzelhandel in Osteuropa.

Wien (mk). Wo man vor zwei Jahrzehnten noch Schlange stand, um etwas Essbares zu kaufen, ist heute Konsum-Eldorado: Shopping rund um die Uhr, auch an Sonntagen, in riesigen Zentren – das ist in Osteuropa heute längst Alltag. „Die Entwicklung in Osteuropa ist nicht mit Westeuropa vergleichbar“, sagt Manfred Berger von DraftFCB + Kozba. Statt langsamer Evolution steht dort sprunghafte Revolution an der Tagesordnung – noch immer.

Hochzeit in der Tankstelle

Dass Tankstellen nur ein bisschen Autozubehör und Kaugummi verkaufen, diese Stufe etwa wurde in Rumänien übersprungen. Von den alten Tankstellen, an denen man nur Treibstoff erstehen konnte, ging es gleich zu den Supermärkten mit Apotheke und Gasthaus, wo man vor der Tür auch Benzin erhält. „In Rumänien gibt es Tankstellen, die so schön sind, dass dort Hochzeiten gefeiert werden“, sagt Berger.

Eine wenig kontinuierliche Entwicklung bringt es aber auch mit sich, dass man clever und schnell sein muss, um Erfolg zu haben. Um einen besseren Blick hinter die osteuropäische Handelslandschaft zu ermöglichen, hat Berger auf der Wiener Wirtschaftsuniversität Anfang September einen Kongress organisiert. In Workshops und mit Hilfe von Vorträgen – unter anderem von Piotr Ploszajski, Professor an der Wirtschaftsuniversität in Warschau – sollen die Teilnehmer mehr über die Erfolgsgeheimnisse im Marketing und Vertrieb in Osteuropa erfahren.

Denn nur nach altem österreichischen Schema kann man seine Waren dort nicht verkaufen: In manchen Ost-Ländern spielen Kioske eine bedeutende Rolle, in anderen Briefträger. „Philip Morris kooperiert in der Ukraine mit der Post, um die Zigaretten zu vertreiben“, sagt Berger.

Ungewöhnliche Kombinationen

Als erfolgreich hat sich auch eine ungewöhnliche Kombination in Bulgarien erwiesen: Der lokale Marktführer bei Mineralwasser, Devon, hat Red Bull in sein Sortiment aufgenommen – und beide Marken profitieren von diesem Schachzug.

Von solchen kreativen Zugängen können sich auch Westeuropäer ein Beispiel nehmen. „Letztlich geht es auch darum, was der Westen vom Osten lernen kann“, sagt Arnold Schuh von der Wiener Wirtschaftsuniversität. Er wird ebenfalls auf der Veranstaltung sprechen, so wie auch Ulrich Schmidt, General Manager von Beiersdorf, Martin Weseloh von der österreichischen Post, Helmut Hager, Marketingleiter der Erste Bank oder Josef Dutter, Geschäftsführer von Salesianer Miettex. Unter Hagers Regie wurde der Marktauftritt der Erste-Bank-Töchter vereinheitlicht. Schmidt zeigte, wie wichtig die Positionierung der Marken – in seinem Fall unter anderem Nivea – im Selbstbedienungsregal ist. Denn in neuen Märkten können zu viele Produkte Konsumenten auch überfordern – deshalb ist es auch sehr wichtig, wann welche Produkte eingeführt werden.

Schuh erwartet, dass nach dem Transfer von Wissen, Kapital und Technologie von West nach Ost auch die umgekehrte Richtung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dass Osteuropäer im Westen schon Spuren hinterlassen, zeigen mehrere Beispiele. Etwa, wie vor kurzem bekannt wurde, dass der tschechische Mineralwasser-Marktführer Karlovarské minerální vody sich an der burgenländischen Waldquelle beteiligt.

„Enorme Entwicklung“

„Nationale Anbieter, die sich konsolidieren, entwickeln sich in vielen Ländern enorm. Sie nehmen westliche Gepflogenheiten an, verfügen über moderne Vertriebsstrukturen. Es ist erstaunlich, wie schnell da manche lernen“, sagte Henkel-Osteuropa-Chef Günter Thumser vor kurzem in einem Interview. Auch er wird beim ersten internationalen Grow East-Kongress, bei dem „Die Presse“ Kooperationspartner ist, mit dabei sein.

www.groweast.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2007)

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