Liebeswerben um Ronaldinho

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Transfer-Hit. Barcelonas Superstar findet nicht aus seiner hartnäckigen Formkrise. Nun scheint sein Verein gewillt, ihn zu Chelsea ziehen zu lassen. Die Fans wollen ihn behalten.

BARCELONA/LONDON(mfi). „Ronaldinho ist einer der Grundbausteine unseres sportlichen Konzeptes.“ Hätte der FC Barcelona seine Aussendung nicht dieser Tage, sondern vor ein paar Monaten veranlasst, wäre sie mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen worden. Was sollte der zweifache Weltfußballer, Weltmeister und Champions League-Sieger auch sonst sein als einer der tragenden Säulen der Katalanen. Doch der Wind hat sich gedreht. Ronaldinho spielt immer öfter schwach und fällt mehr durch seine Streifzüge durch das nächtliche Barcelona denn durch Kunststücke auf dem Rasen auf.

Während in Spanien erstmals Kritik an ihm laut wird, ist sein Zauber anderorts ungebrochen. Roman Abramowitsch will ihn während der Transferzeit im Jänner unbedingt zu Chelsea lotsen. 48 Millionen Euro sollen in die Kassa des FC Barcelona fließen, Ronaldinho soll in London künftig pro Jahr zwölf Millionen verdienen. Der Deal dürfte konkrete Formen annehmen, das Fachmagazin „Kicker“ vermeldete ihn als „perfekt“. Barcelona antwortete lediglich mit eingangs zitiertem Kommunique.

Betrunken in der Disco

Genau genommen ist Ronaldinhos Stern bereits seit der WM 2006 im Sinken begriffen. In Deutschland konnte er gemeinsam mit seinen brasilianischen Teamkollegen die Erwartungen zu keiner Minute erfüllen. Der erwartete Zauberfußball fand nie statt. Ronaldinho wirkte müde, bisweilen lustlos.

Alle Experten glaubten da noch an ein Formtief zur falschen Zeit, doch das berühmte Ronaldinho-Lächeln sollte auch nach der Sommerpause nicht zurückkehren. Der Weltfußballer spielte eine schwache Saison. Barcelona konnte nicht zuletzt deshalb weder Champions League- noch Meistertitel verteidigen. Dennoch wurde an Ronaldinhos Denkmal nicht gekratzt. Die Fans standen weiter hinter ihrem Idol, vergaßen nicht, wer ihnen die Vorherrschaft im europäischen Fußball zurückgebracht hatte.

Doch trotz des Rückhalts aus der Kurve fand der Superstar auch in der neuen Saison bislang nicht zu alter Form zurück. Sein Fokus scheint nicht länger auf den Fußball gerichtet. Erst kürzlich – und nicht zum ersten Mal – wurde er in einer Szene-Disco gesehen. Und zwar im Morgengrauen und keineswegs nüchtern.

Die ersten Saisonpartien spielte er nicht zu Ende, stets wurde er von Frank Rijkaard ausgewechselt. Im Champions League-Spiel gegen Lyon wurde sein Abgang gar von Pfiffen begleitet. Zuletzt stellte ihn Rijkaard gegen Saragossa gar nicht erst auf. Offiziell hieß es, der Brasilianer würde an einer Zerrung laborieren. Inoffiziell soll ihm der Trainer jedoch eine Nachdenkpause verordnet haben. Er braucht Ronaldinho (derzeit) nicht, er hat mit Lionel Messi einen Spieler in der Mannschaft, der ihn vergessen macht. 4:1 lautete der Endstand gegen Saragossa, der Argentinier trat als Torschütze und überragender Akteur in Erscheinung.

Affäre mit Rijkaard-Tochter?

Ronaldinhos Reservisten-Dasein musste zwangsläufig die Gerüchteküche anheizen. Dass Chelsea als neuer Klub gehandelt wird, kommt auch wenig überraschend. Nach der Ausbootung von José Mourinho braucht Abramowitsch dringend Positiv-Schlagzeilen. Abwanderungswillige Stars wie Didier Drogba könnten durch die Ankunft des zweifachen Weltfußballers in London gehalten werden, Ronaldinhos Einzug an der Stamford Bridge hätte Signalwirkung. Dazu kommt, dass Abramowitsch Ronaldinho ohnehin schon immer wollte. 48 Millionen spielen für den russischen Multimilliardär keine Rolle, obwohl der Brasilianer Barcelona im Sommer angeblich um 21 Millionen verlassen kann.

Doch noch kickt Ronaldinho nicht in London. Milan ist ebenfalls dran und die Barca-Fans haben sich für ihre Pfiffe bereits „entschuldigt“. Beim Saragossa-Spiel gab es für den großen Abwesenden minutenlange „Ronaldinho“-Chöre. Und noch jemand dürfte Einwände gegen seinen Abgang vorbringen. Lindsay Rijkaard, Tochter des Coaches, soll ein Verhältnis mit dem Brasilianer haben. Ist sie gar der wahre Grund für Ronaldinhos Krise?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2007)

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