Sitzenbleibenpolitik

Man muss nicht für die Gesamtschule sein, um gegen die Sitzenbleiber der ÖVP aufzutreten.

An Frau Professor Heide Albert (Deutsch, Geschichte) werde ich mich ewig erinnern. Ein guter Lehrer ist nicht nur für die Schule. Ein guter Lehrer ist fürs Leben. (Auch wenn man ihn aus den Augen verliert). In der Volksschule gab es die „Nuss von der Frau Fürnschuß“. Ich bekam nie eine, zum Glück; Frau Fürnschuß schickte mich aufs Gymnasium (Danke!). Einen Matheprofessor wie Rudolf Taschner hätte ich gern gehabt. Ein guter Lehrer ist Gold wert. Veit Sorger, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, ist zuzustimmen, wenn er die Lehrer aufgewertet sehen möchte. Was impliziert, dass sie, „wenn sie nicht funktionieren, mit einer anderen Aufgabe versehen“ werden. Was wiederum bedeutet, dass die Schulen freier werden sollen. Vor allem: parteipolitikfreier.

Ein guter Lehrer ist die halbe Schule, fast egal, wie die Schule heißt. Nun, nicht ganz. Aber das Umetikettieren wird nicht reichen. Die träumerische Gesamtschulideologie der SPÖ, deren Chef sein Kind in eine Privatschule schickt, ist (noch) nicht überzeugend – aber offenbar ist: Die Schule braucht eine Aufbruchsstimmung. Und eine Kernfrage sollte heißen: Wie fördert man gute Lehrer?

Zum Geheimnis einer guten Schule gehört auch das Schulklima. Als ich die finnischen Schulklimaberichte Hubert Patterers in der Kleinen Zeitung las, hätte ich sofort nach Finnland wandern wollen, so erbaulich ist dessen Schulsystem. Und was haben wir? Wir haben den GÖD Neugebauer. Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Ein jährliches Nachhilfegeschäft von 600 Millionen Euro, dreizehn bis vierzehn Wochen Schulferien und 40.000 Sitzenbleiber jedes Jahr.

Selbst wenn man die flächendeckende Gesamtschule nicht befürwortet (wie ich), so ist doch völlig daneben, wie die ÖVP vorgeht. Neugebauers (einziger) Beitrag: Ohne ihn gehe nichts. Also nichts. Er werde das Gesetz „endverhandeln“. Also Ende, vor jedem Anfang. Abgesehen davon, dass die ÖVP ihr Image einer konstruktiven Partei mit der Neugebauer-Njet-Politik perfekt ruiniert, ist auch unfassbar, wie sie sich jetzt in die Schule hineinkrallt mit der Gewerkschaft und sogar dem Finanzminister. Unter dem Vorwand, das Modell könnte kostenmäßig ausufern. Und wer bezahlt, dass die faktische Alleinregierung der ÖVP bis zum Jahresende 2003, mitten in der Pensionsreformzeit, 6600 Lehrer, immerhin 5,5 Prozent aller Lehrer, mit 50 und 55 in die Frühpension gehen ließ?! Anstatt dass sie ein dringend nötiges Modell entwickelt hätte, das „ausgebrannte“ Lehrer eben auch teilzeitweise einsetzt, beging sie den Sündenfall des Jahrzehnts.

Selbst einen Schulversuch, der zeigen könnte, wie es besser gehen könnte, würgt sie nun ab. Dass die neue Ministerin Schmied und der alte Schulhase Schilcher von „Leuchttürmen“ sprachen, hat die ÖVP derart gestört, dass sie nur noch blockt. In dem Moment, wo sie gar ihr eigenes Gesetz ankündigen zu müssen meinte, war klar, wie viel es geschlagen hat. Es geht um Parteipolitik, um Machtpolitik, und nicht um die Schule, um das Fordern und Fördern von Lehrern und Schülern. So wird die ÖVP keine Schule machen. So betreibt sie eine reine Sitzenbleibenpolitik.

Erna Lackner ist Journalistin in Wien.


meinung@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2007)

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