Schwarzer Frust nach Flirt mit Grünen

APA
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Die Grünen wollen trotz Zwischenruf ihrer Bundespartei nicht mit der Grazer ÖVP koalieren. Der Bürgermeister reagiert trotzig: „Die können nur raunzen und matschkern.“

Graz. Eigentlich hat sie Bürgermeister Siegfried Nagl „eh fast erwartet“. Die Absage der Grünen für eine Koalition nach der Grazer Gemeinderatswahl am 20. Jänner. Die erste Enttäuschung über „die Braut, die sich nicht traut“ (Nagl über Grünen-Spitzenkandidatin Lisa Rücker) ist einer gewissen Verbitterung gewichen. „Die Menschen sollen wissen, dass die Grünen eigentlich eh immer nur matschkern und raunzen“, trotzt Nagl Dienstagabend im familiären Rahmen einer Parteiveranstaltung.

Im gemütlichen Ambiente einer nachgebauten Skihütte vor der ÖVP-Parteizentrale am Grazer Karmeliterplatz erinnert sich Nagl sogleich, dass allzu liberale Ideen ohnehin nicht so gut sind. „Die Trümmer, die eine Laissez-faire-Gesellschaft zurücklässt, sehen wir jeden Tag“, warnt Nagl. Er sei jedenfalls „stolz, ein Konservativer zu sein“. Ist das das Ende eine schwarz-grünen Liaison bevor sie noch begonnen hat? Die Grazer Grünen-Chefin hatte bereits zu Wochenbeginn in einem offenen Brief dem Bürgermeister den Laufpass gegeben. Er hätte durch seine Aussagen den Boden für Hassparolen der Rechten aufbereitet, schrieb Rücker.

Dass zuletzt ihr Bundesparteichef Alexander Van der Bellen die Justament-Ablehnung torpedierte, indem er eine schwarz-grüne Kooperation als „nicht illusionär“ bezeichnete, stört Rücker nicht. Eine Zusammenarbeit sei „objektiv vielleicht attraktiv“, Nagl müsste aber in vielen Bereichen seine Meinung radikal ändern. „Auch die Grünen müssten sich mehr bewegen“, entgegnet man im Umfeld des Bürgermeisters.

Nagl selbst hat indes seine Getreuen auf die Wahlkampf-Schlussoffensive eingeschworen. Unter dem Motto „Anpacken statt kundgeben“ hat er am morgigen Freitag sämtliche 81 Kandidaten zu einem 24-stündigen Sozialarbeitseinsatz verdonnert. Ab 12 Uhr mittags werden die Stadt-Schwarzen insgesamt 438,5 Stunden im Dienste der Allgemeinheit unter anderem Märchen vorlesen, in Obdachlosen-, Alters- und Pflegeheimen aushelfen, Bügeldienste übernehmen oder Fensterputzen. Nagl selbst wird sich als Koch- und Servierkraft versuchen. „Ich weiß, was am Spiel steht“, sagt der Titelverteidiger im Rennen um den Bürgermeistersessel.

Das Wahlvolk könnte ihm dennoch in die Suppe spucken, indem es sämtliche Gemeinderatsfraktionen so stark mit Stimmen ausstattet, dass sie den Sprung in die Stadtregierung schaffen. Die Opposition wäre damit abgeschafft, die Stadt unregierbar.

VP uneins bei Proporz

Nagl hat deshalb vorsorglich noch einmal sein Modell von nichtamtsführenden Stadträten in die Debatte geworfen. Nur die Partner einer möglichen Koalition würden sich die Ressorts (amtsführend) aufteilen. So will Nagl die notwendige Gesetzesänderung für eine Abschaffung des geltenden Proporzsystems umschiffen. Von dem hält er nämlich nichts, was ihn allerdings in krassen Widerspruch zur eigenen Landespartei bringt. Diese hat zuletzt in einem argumentativen Rückwärtssalto wieder ihre Liebe zum Proporz entdeckt.

Die Grünen stehen aber auch diesem Nagl-Vorstoß skeptisch gegenüber. „Das klingt nach Wahltaktik“, findet Rücker.

Grüne kritisieren Umweltpolitik

Auch die Bundes-Grünen weilen dieser Tage in Graz: Am zweiten Tag der Klubklausur am gestrigen Mittwoch schoss man sich dabei ganz auf die Umweltpolitik der rot-schwarzen Regierung ein. Diese bestehe nur aus „Lug und Trug“, erklärte Partei-Vize Eva Glawischnig. Österreich habe sich zwar gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf entschlossen – „beteilige“ sich aber durch Stromimporte an zwei AKWs. Für den Großraum Graz forderte Glawischnig die Wiedereinführung der Tempo-100-Verordnung für Autobahnen. Es sei ein Skandal, dass gerade in der „Feinstaubhauptstadt“ keine Gegenmaßnahmen getroffen werden, meinte die Dritte Nationalratspräsidentin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2008)

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