Karriere als Pharmareferent: Die Königsklasse im Vertrieb

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Viel auf Achse, anspruchsvolle Kunden und hochkomplexe Produkte – wer es schafft, hier zu reüssieren, dem stehen alle Türen in der Branche offen. Dies gilt zunehmend auch für Frauen.

Pharmareferenten sind die Formel 1-Fahrer unter den Außendienstmitarbeitern“, erklärt Christina Kunsch, Personalleiterin bei Eli Lilly. „Sie sind fachlich unter den Besten und kommunikativ top.“ Bereits beim ersten Besuch beim Arzt müssen sie ihn von ihrem Produkt überzeugen, über ein umfassendes Wissen des Krankenhausmanagements verfügen, „auf Augenhöhe“ mit dem Kunden diskutieren und gut zuhören können. „Neben all dem sind sie pfiffig und charmant.“

„Es heißt, ein guter Verkäufer könne alles an den Mann bringen – das gilt nicht für Medikamente“, sagt Elmar Fleck, Human Resources Director bei AstraZeneca: „Unsere Referenten brauchen mehr als nur die typischen Sales Skills.“ Die dynamische Branche verlangt ständige Weiterbildung. Das Schlagwort vom lebenslangen Lernen ist kein Lippenbekenntnis – laufend neue Produkte, die auf den Markt kommen und welche die Referenten aus dem Effeff erklären können müssen, lassen keinen Stillstand zu. „Praktische Ärzte und Spezialisten stellen Fragen vom Molekülaufbau der Arznei bis hin zu den neuesten Ergebnissen klinischer Forschung und Compliance-Themen.“

Große Einstiegsprüfung

Der Grundstein für dieses Spezialwissen wird schon vor dem Einstieg gelegt. „Der Zugang zu dieser Profession ist durch eine Prüfung reglementiert“, erklärt Wolfgang Schober vom Berufsverband der Pharmareferenten Österreichs. Der Stoffumfang ist sehr groß und beinhaltet Gebiete wie Medizin, Pharmakologie, aber auch Arzneimittelrecht. Das Examen steht jedermann offen – auch Bewerber ohne naturwissenschaftliches Studium können antreten. Die Durchfallquote ist hoch – „nur ein Drittel der Prüflinge besteht“ –, seit kurzem gibt es einen eigenen Universitätslehrgang zur Vorbereitung auf die Prüfung an der Donau-Universität Krems, der in allen Bundesländern durchgeführt wird.

Auf diejenigen, die es schaffen, wartet ein Leben auf Achse: „Von einem Kunden zum nächsten und abends oft noch Präsentationen und Fortbildungsveranstaltungen, die auch das Wochenende in Beschlag nehmen können“, skizziert Heidrun Irschik, Business Unit Leiterin Speciality bei Novartis. Hinzu kommen noch Meetings sowie Feedbackgespräche im eigenen Unternehmen. „Das erfordert ein hohes Maß an Belastbarkeit.“

Long Working Hours, kontinuierliches Pauken und ständig auf Achse – warum sollen sich junge Naturwissenschaftler für diesen Beruf interessieren? „Die Arbeit ist sehr selbstbestimmt, die Referenten können viel mit Menschen kommunizieren“, ergänzt Irschik. „Der Beruf ist finanziell lohnenswert bei entsprechendem Einsatz“, sagt Michaela Huszar, Recruiting Manager der Pfizer Corporation Austria GmbH. Die Vergütung beinhaltet zumeist ein stark leistungsbezogenes Element. Aufgrund des großen Arbeitsaufwandes ist das Salär daher meist entsprechend hoch. „Der Job ist außerdem die Basis für eine Karriere im Bereich Marketing und Sales“, erklärt Alexandra Fucik, Personalleiterin bei MSD Merck Sharp & Dohme: „Ohne diese Grundausbildung wird es sehr schwer, nach oben zu kommen.“ Die „klassische“ Laufbahn führt über den Außendienst und den Marketingbereich zum Key Account-Manager für ein Produkt und anschließend bis in die Führungsetagen der Unternehmen: „Wer als Pharmareferent Karriere machen möchte, hat alle Chancen dazu.“

Information notwendig

Die Möglichkeiten scheinen sich allerdings noch nicht an den Hochschulen herumgesprochen zu haben. „Die Vorstellungen unter Naturwissenschaftlern stimmen oft mit der Realität nicht überein“, sagt Gisela Zechner, Geschäftsführerin der life-science Karriere Services: „Die Absolventen denken oft, dass sie in diesem Berufsfeld fachlich zu wenig gefordert wären.“ Durch offensive Information können die Firmen entgegenwirken: „Viele Akademiker erkennen dann den Pharmareferenten-Job als mögliche Karriere-Option.“ Hartnäckig halte sich landläufig das Gerücht vom Pharmareferenten als Verkäufer, quasi direkt aus dem Auto heraus. „Der Referent verkauft nicht direkt beim Arzt, er beliefert ihn nur mit Informationen“, stellt Fucik klar.

Die Pharmabranche und ihre Produkte sind sehr differenziert – dies wirkt sich auch auf die Unternehmenskultur aus. Diesen Aspekt sollen Interessierte auch in ihre Wahl miteinbeziehen. „Es macht einen Unterschied, ob Sie für ein US-amerikanisches oder ein europäisches Unternehmen arbeiten, aber auch, ob Sie innovative Produkte oder Generika im Portfolio haben“, so Huszar. Die Branche ist von großer Innovationskraft getrieben. Diese ist auch der Grund dafür, dass die Zahl der Stellen konstant bleibt. „Trotz Akquisitionen und Fusionen werden im Referentenbereich immer neue, qualifizierte Leute gesucht“, so Fleck. Das liege auch an der – durch viele Karenzzeiten – hohen Fluktuation.

Karrieren im Pharmabereich sind oft weiblich. „Auch in Führungspositionen ist der Frauenanteil im Verhältnis zu anderen Branchen höher“, ergänzt Irschik. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken. „Bei den Prüfungen sind mittlerweile bis zu 80 Prozent der Kandidaten Frauen“, sagt Schober. Das Berufsbild entwickelt sich auch allgemein weiter – der Stellenwert der Kundenbindung steigt. „Die Referentin wird immer stärker zur Beziehungsmanagerin“, erklärt Kunsch. Dann legen die Formel 1-Fahrer Boxenstopps zur Netzwerkpflege ein, um in der Sprache des Motorsports zu bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2008)

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