Iran: Geheimnisvolle „Botschafter des Friedens“

Iran's coach Carlos Queiroz gestures during the 2014 World Cup Group F soccer match between Iran and Nigeria at the Baixada arena
Iran's coach Carlos Queiroz gestures during the 2014 World Cup Group F soccer match between Iran and Nigeria at the Baixada arena(c) REUTERS
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Trainer Carlos Queiroz liegt mit dem Verband im Clinch und wird nach der Endrunde gehen. Sein verjüngtes Team vermochte zum Auftakt gegen Nigeria nicht zu überzeugen, dabei soll in Brasilien der erste WM-Sieg seit 1998 gelingen.

Belo Horizonte. Es gibt bestimmt dankbarerer Aufgaben, als bei einer Weltmeisterschaft in Südamerika gegen Argentinien antreten zu müssen. Gegen Lionel Messi und all die anderen Superstars würden sich auch größere Fußballnationen schwertun, für den Iran wird das Duell in Belo Horizonte aber fast schon zu einer unlösbaren Aufgabe. Zum Auftakt hatte man ein torloses Remis gegen Nigeria erreicht, es war die erste Nullnummer in Brasilien und Kritiker kamen zum Schluss, es wäre besser gewesen, die Partie hätte nie stattgefunden. Ein Langweiler, der zu einer nicht enden wollenden Geduldsprobe wurde.

Interne Querelen

Der Iran, der sich vor der WM in Österreich vorbereitet hat, wird als eines der schwächsten Teams eingestuft. Und nicht nur, dass man sportlich alle Hände voll zu tun hat, es kommen auch noch Querelen dazu. Der Verband liegt mit dem Teamchef im Streit, der Portugiese Carlos Queiroz hat nun in Brasilien angekündigt, nach der WM seine Mission definitiv zu beenden. „Ich wollte weitermachen, aber das Sportministerium will das nicht.“ Das soll auch finanzielle Hintergründe haben, der Trainer selbst kommentiert das nicht weiter. Zwei Spiele hat er also mindestens noch, Carlos Queiroz, der bei der WM 2010 Portugal betreut hat. Man kann davon ausgehen, dass er bald wieder einen neuen Job bekommt. „Aber das ist nicht wichtig – bitte belasten Sie die Spieler nicht mit dieser Angelegenheit.“

Die vierte WM-Teilnahme, so lautete die Vorgabe des Verbandes, sollte die erfolgreichste werden. Erstmals, so der Wunsch in der Heimat, soll die Vorrunde überstanden werden. Vor vier Jahren war man nicht dabei, nach dem Scheitern in der Qualifikation musste Queiroz eine neue Mannschaft aufbauen. Der Portugiese mistete ordentlich aus, die „goldene Generation“ mit Spielern wie Mehdi Mahdavikia oder Ali Karimi ist Geschichte.

In der Vorbereitung ist nicht viel rund gelaufen. In diesem Kalenderjahr gelang erst ein einziger Sieg – gegen Trinidad & Tobago. Gegen Guinea setzte es eine 1:2-Niederlage, gegen Angola, Montenegro und Weißrussland trennte sich der Iran jeweils mit einem Unentschieden. Was der Mannschaft fehlt, ist Erfahrung auf höherem Niveau. „Unser Ziel ist es, mit Japan und Südkorea auf einer Stufe zu stehen“, so Queiroz. „Wir wollen uns endgültig einen Platz unter den Top drei in Asien sichern.“

Die Iraner träumen vom ersten WM-Sieg seit dem 2:1 gegen die USA (1998). Gegen Argentinien scheint das nicht realistisch, gegen Bosnien und Herzegowina schon eher. „Unser Star ist der Teamgeist“, sagt Carlos Queiroz, der sich einige Wochen lang mit einer skurrilen Trikot-Posse herumschlagen musste. Und mit dem Verbandschef, Ali Kafaschian, liegt er dermaßen im Unfrieden, dass eine weitere Zusammenarbeit undenkbar ist. Darum auch der Schlussstrich nach der WM.

Dejagahs bewegte Geschichte

Sich auf Argentinien zu konzentrieren, könnte bei all dieser Begleitmusik schwierig werden. Ashkan Dejagah, der in Teheran geboren wurde, das Fußballspielen aber in Deutschland gelernt hat, winkt ab. „Wir werden unser Bestes geben“, sagt der England-Legionär, der mit Fulham und Trainer Felix Magath abgestiegen ist. „Wir sind aber nicht im Glauben hierhergekommen, dass wir dieses Turnier gewinnen. Wir hoffen auf eine Überraschung. Und im Fußball weiß man doch nie.“ Dejagah hat als Kind einst bei den Reinickendorfer Füchsen seine ersten Fußballschuhe zerrissen. Über Tennis Borussia Berlin schaffte er den Sprung zu Hertha BSC. Dort spielte er von 2004 bis 2007, dann wechselte der Offensivspieler zu Wolfsburg. Schon dort war Magath sein Trainer, zu feiern gab es eine Meisterschaft. Und 2012 gelang der Sprung nach England.

Ashkan Dejagah besitzt auch die deutsche Staatsbürgerschaft, er hat alle DFB-Nachwuchsauswahlen durchlaufen. Bis zur Unter-21. Bis zu einem Länderspiel gegen Israel im Jahr 2007. Dejagah sagte „aus persönlichen Gründen“ ab, seit der Islamischen Revolution 1979 ist es islamischen Sportlern per Gesetz verboten, gegen israelische Teams anzutreten. Er fürchtete negative Konsequenzen für seine im Iran lebende Familie. Die „Bild“-Zeitung aber sprach von einer Absage aus politischen Gründen. Daraufhin wurde der Ausschluss aus der deutschen Nationalmannschaft gefordert. Dazu kam es nicht, aber der Deutsch-Iraner fehlte auch im Rückspiel gegen Israel – diesmal offiziell wegen einer Zerrung.

Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien ist es iranischen Spielern verboten, sich politisch zu äußern. Auch sonst macht die Mannschaft einen eher geheimnisvollen Eindruck. Ersatztormann Daniel Davari, der mit Braunschweig abgestiegen ist und zu Grasshoppers Zürich wechselt, schweigt ebenso. Dabei ist er in Deutschland, in Gießen, geboren. Argentinien? „Wird schwer. Unser Hauptaugenmerk muss auf der Defensive liegen.“

Verbandspräsident Ali Kafaschian sieht den Auftrag umfassender. „Unsere Mannschaft muss auch als Botschafter des Friedens agieren.“ In der Heimat werden die Übertragungen aus Brasilien übrigens mit Zeitverzögerung gezeigt. Um notfalls leicht gekleidete Damen aus den TV-Bildern herausschneiden zu können. Twitter und Facebook sind gesperrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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