Gefressen vom Süßwasserhai

Trashig: Christian Futschers Persiflage auf das Genre des großen Abenteuerromans.

Männer im 21. Jahrhundert haben es schwer. Es gibt nichts mehr zu jagen und zu sammeln, man schlägt einander nicht mehr ritterlich die Köpfe ein, und es gibt auch keine Terra incognita mehr zu erobern. Was bleiben noch für Abenteuer zu bestehen für die Männer von heute?

Christian Futscher weiß die Antwort: Als Großstadt-Adventurer im „postheroischen Zeitalter“ kaufe man sich ein Busticket, fahre bis zur Endstation, ins Grüne, in den Wald, und hoffe, dass die Abenteuer einen von selber finden. Das zumindest tut Robert, der Held in Futschers „Abenteuerroman“ mit dem sehr langen, ziemlich prätentiösen Titel „Der Mann, der den Anblick essender Frauen nicht ertragen konnte“.

Unschwer zu erkennen, handelt es sich um eine Persiflage des Genres, denn Robert, der immer noch bei seiner Oma lebt, ist kein Abenteurer, sondern nur ein – völlig besessener – Abenteuerromanleser. Abenteuer gibt es offensichtlich aber sowieso keine mehr zu bestehen – was dem Omasöhnchen im Wald so widerfährt, ist denn auch bei aller Unglaublichkeit und Übertreibung letztlich recht mager: Robert trifft auf eine sehr skurrile Vierer-Männer-WG, die aus dem aggressiven, sexbesessenen Pepe besteht, dem ernsten Wissenschaftler St. Pauli, einem ziemlich begriffsstutzigen Koloss von einem Mann namens „Mama“, und dem klugen Hugo, der über hellseherische Fähigkeiten zu verfügen scheint.

Ihnen schließt er sich an, ehe er Ilona trifft, deren Mann von Süßwasserhaien aufgefressen wurde. Bei Ilona verbringt er zwar die Nacht, doch dieses Liebesabenteuer bleibt ein ebenso flüchtiges wie alle anderen „Abenteuer“ auch, die Robert erlebt. Erst als sich die Dinge am Ende zuspitzen, ein mächtiger Baum die vier Freunde unter sich begräbt und Robert selber fast ertrinkt, erwischt es ihn so richtig, das letzte wahre Abenteuer beginnt: Er verliebt sich, diesmal ernsthaft, und dem Happy End steht – fast – nichts mehr im Weg...

Skurrilität auf die Spitze getrieben

Stringente Handlung darf man sich von Futschers Roman, der insgesamt aus 13 Teilen besteht, die sich wiederum in viele kleine einzelne Szenen untergliedern, keine erwarten. Eine Episode reiht sich an die nächste, dem Plot selber liegt keine kausale Logik zugrunde, er lebt vielmehr von einer extremen Skurrilität – und natürlich vom Spiel mit dem Genre, das er ganz explizit persifliert, das zeigen die vielen impliziten Anspielungen im Text ebenso wie die Zitate aus „Robinson Crusoe“, „Die Schatzinsel“, „Gullivers Reisen“ oder „Moby Dick“, die Futscher den Kapiteln voranstellt.

Auf den ersten Blick erscheint es ja leicht, eine Persiflage zu schreiben. Es reicht, die konstitutiven Elemente des Genres, das man aufs Korn nehmen will, zu kennen, um sie sodann ins Lächerliche zu ziehen. Auf den zweiten Blick erkennt man aber, dass das alles andere als einfach ist, will man sich nicht in platten Klischees oder abstrusen Unsinnigkeiten verlieren. Über einige originelle Einfälle kann man bei Futscher zwar tatsächlich lachen, vieles aber wirkt mit aller Gewalt an den Haaren herbeigezogen, um die Geschichte immer irgendwie weiterzuspinnen. Das dürfte freilich zum Programm gehören.

Futscher schreibt „Trash“ in Reinkultur. Wer das mag, wird einigermaßen auf seine Kosten kommen. Für alle anderen gilt: Man lese lieber noch einmal einen jener großen Abenteuerromane der Weltliteratur, die Futscher persifliert. ■

Christian Futscher

Der Mann, der den Anblick essender Frauen nicht ertragen konnte

Ein Abenteuerroman. 208S., geb., €19,90 (Czernin Verlag, Wien)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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