Politiker-Bezüge: Fette Gagen, ruhige Kugeln?

(c) EPA (Roland Schlager)
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Österreichs Nationalräte genehmigen sich per Juli eine Gehaltserhöhung von 1,7 Prozent. Vergleichsweise bescheiden. Präsident Heinz Fischer verdient dennoch besser als US-Präsident George W. Bush.

Österreichs „Senatoren“ arbeiten nach 16 Uhr also nichts mehr. Na sowas. Mit seiner launigen Feststellung hatte Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) im fernen Südamerika jedenfalls die Lacher auf seiner Seite. Die der schonenden Arbeitsverrichtung Verdächtigten wiesen die Behauptung des Kanzlers brüsk als „Frechheit“ zurück, während die Kollegen aus der ZiB2-Redaktion ausrückten, um der Frage nachzugehen, wie viele Abgeordnete nach 16 Uhr tatsächlich noch am Arbeitsplatz anzutreffen sind. Viele waren es nicht. Alle im Außendienst, wie es in allen Fraktionen hieß. Eh klar.

Womit wieder einmal bestätigt scheint, was eine breite Mehrheit der Österreicher längst zu wissen glaubt: Das Kassieren von „fetten Gagen“ und das „Schieben einer ruhigen Kugel“ sind zwei Dinge, die nicht zwangsläufig im Widerspruch zueinander stehen müssen. Schon gar nicht in der Politik. Dabei haben sich Österreichs Politiker erst letzten Dienstag eine höchst moderate Gehaltserhöhung genehmigt: Am 1. Juli werden deren Bezüge um gerade einmal 1,7 Prozent steigen.

Reale Einkommensverluste für Politiker

So etwas nennt man bescheiden. Über das Land bricht ja gerade eine Teuerungswelle herein, wie wir sie seit den 80er Jahren nicht mehr gesehen haben. Die Inflationsrate liegt seit Monaten über drei Prozent. Womit die Berufspolitiker heuer reale Einkommenseinbußen hinzunehmen haben werden.

Hut ab. Nicht zuletzt, da sich deutsche Abgeordneten heuer neun Prozent höhere Gehälter gönnen. Ganz freiwillig ist die alpenländische Bescheidenheit allerdings auch wieder nicht. Die Einkommenszuwächse der Politiker folgen einem strengen Automatismus, sie haben sich entweder an der Inflationsrate oder dem Anstieg der ASVG-Pensionen zu orientieren. Entscheidend ist der niedrigere Wert – heuer die Pensionserhöhung von 1,7 Prozent.

Ein österreichischer Nationalratsabgeordneter kommt demnach künftig auf 8160 Euro brutto im Monat (114.200 Euro im Jahr). Der Bundespräsident ist den Bürgern das 2,8fache dieses Bezuges wert, also 22.848 Euro brutto im Monat. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer bringt es künftig auf 20.400 Euro brutto im Monat, während sich Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) über 17.952 Euro brutto freuen kann.

Die Messlatte ist der freie Markt

Ist das nun zu viel Geld? Oder gar zu wenig? Schwer zu sagen. Schließlich ist schon einmal unklar, was den Abgeordneten netto bleibt. Einerseits wird Parteisteuer abgezogen, andererseits sind die Abgeordneten alles andere als gesprächig, wenn die Rede auf die Höhe ihrer Nebeneinkünfte kommt. Zudem sind in den genannten Summen keine Spesen enthalten. In der freien Marktwirtschaft wäre die Sache klar: Die Höhe des Lohnes richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Ob das zu viel oder zu wenig ist, ist erstens Ansichtssache und zweitens irrelevant, weil Sache privater Unternehmer.

Angesichts der mangelnden Transparenz bleibt keine andere Wahl, als die Bruttobezüge heimischer Politiker jenen gegenüberzustellen, die ausländischen Volksvertretern gezahlt werden. Und sie weiters mit jenen zu vergleichen, die Politiker im freien Markt verdienten. Wenn also ein Abgeordneter in seinem Zivilberuf – nehmen wir der Einfachheit einmal an, er sei Lehrer – zu 3500 Euro brutto im Monat nachgefragt wird, im Hohen Haus aber 8100 Euro exklusive Spesen bezahlt bekommt, fällt das wohl kaum in die Kategorie „finanzieller Absturz“.

Für Top-Manager, die mit 25.000 Euro brutto im Monat nach Hause gehen, sieht die Sache schon wieder anders aus. Dasselbe gilt für Anwälte, Steuerberater oder Gewerbetreibende. Weshalb es auch kein Zufall ist, dass die Parteien bei der Suche nach Abgeordneten vor allem im öffentlichen Sektor fündig werden. Jeder zweite Parlamentarier kommt aus diesem Bereich, für sie ist der Weg in den Nationalrat in der Regel mit einem gewaltigen Gehaltssprung verbunden (zudem gibt es ein Rückkehrrecht, falls die Wahlen „falsch“ ausgehen sollten).

Gusenbauer liegt im Spitzenfeld

An dieser Stelle ist wohl einmal völlig neidlos anzumerken, dass es für heimische Abgeordnete kein wirklicher Nachteil ist, die Interessen einer kleinen Zahl von Bürgern zu vertreten. Österreichische Nationalräte verdienen heuer brutto in etwa soviel wie ihre deutschen Kollegen nach der nächsten Lohnerhöhung im Jänner 2010. In kaum einem anderen Land werden Politiker derart gut entlohnt wie in Österreich. Das gilt auch für die „erste Reihe“. Kanzler Gusenbauer konnte sich 2007 über ein höheres Einkommen freuen als Angela Merkel. Nach der letzten Gehaltsrunde halten beide bei rund 286.000 Euro brutto im Jahr, womit sie höchst wahrscheinlich die bestbezahlten Regierungschefs Europas sind.

Gusenbauer verdient damit zwar immer noch schlechter als der Lenker eines heimischen Großkonzerns, aber fast doppelt so viel wie ein Durchschnitts-Manager (145.400 Euro brutto). In Großbritannien erhält der Regierungschef nicht nur knapp 50.000 Euro brutto weniger als in Österreich, sondern auch um 90 Prozent weniger als ein Spitzenmanager.

Der Abstand zwischen Wirtschaft und Politik ist hierzulande jedenfalls kleiner als immer wieder behauptet. Das gilt vor allem für Bundespräsident Heinz Fischer: Er bekommt mit 319.872 Euro brutto im Jahr in etwa so viel wie der Chef eines großen ATX-Unternehmens. Sein Präsidentengehalt liegt zudem über jenem von US-Präsident George W. Bush, der „seinen“ Steuerzahlern 400.000 Dollar im Jahr wert ist (259.000 Euro). Freilich füllen sich die Brieftaschen ausländischer Staatsführer erst nach deren Ausscheiden: Ex-Präsident Bill Clinton hält mit 400.000 Dollar für eine Rede den (unbestätigten) Rekord.

Abgeordnete, die sich hierzulande unterbezahlt fühlen, können sich allerdings mit einer Frage trösten: In welchem Zivilberuf hätten sie mit ihrer Qualifikation Aussicht auf 114.000 bis 320.000 Euro brutto im Jahr? Wir werden die Antwort leider nie erfahren.


franz.schellhorn@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2008)


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