Wen diskriminiert die deutsche Maut?

Trotz Kritik aus Österreich – die geplante Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland wäre keine Unionswidrigkeit.

Mehrfach wurde in österreichischen Medien die Meinung vertreten, dass die Einführung einer PKW-Maut auf deutschen Straßen bei gleichzeitiger Senkung der nationalen deutschen Kfz-Steuer österreichische und andere nicht-deutsche Unionsbürger diskriminiere und daher eine Unionswidrigkeit vorliege. Diese Auffassung teile ich nicht.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ausgesprochen, dass sich jeder Unionsbürger in allen Situationen, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auf Artikel 12 AEUV berufen kann, der jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet (C-103/08). Eine deutsche Straßenmaut wäre dann unzulässig, wenn sie abhängig von der nationalen Staatsbürgerschaft des Straßennutzers oder abhängig vom Wohnort des Straßennutzers vorgeschrieben oder in der Höhe gestaffelt würde.

Auch, wenn sie sich faktisch vor allem auf nicht-deutsche Unionsbürger auswirken würde, wie im Fall einer spezifischen Belastung für LKW mit mehr als drei Achsen, die vornehmlich von Fernfahrern verwendet werden (C-205/98). Schließlich wäre eine Mautgebühr auch insofern unzulässig, als sie nicht zur Kostendeckung für den Bau und Betrieb der bemauteten Straßenstrecke verwendet wird (C-205/98).

Davon ausgehend, dass die geplante deutsche Straßenmaut aber für alle Nutzer in gleicher Höhe festgelegt wird und auch die Zeiträume für eine kürzere Nutzung (beispielsweise 1-Wochen- oder 10-Tages-Vignette) so gewählt werden, dass nicht-deutsche Bürger, die nur einmalig oder kurzzeitig deutsche Straßen nutzen, nicht unangemessen belastet werden, sei es aufgrund des Zeitraums oder der Kosten einer Kurzzeitvignette, sehe ich im Einführen einer solchen Maut keine Diskriminierung.

Auch in Österreich und unseren anderen Nachbarländern werden Straßenmauten verrechnet. Ich halte es für sachgerecht, die Nutzung von Infrastruktur von jenen bezahlen zu lassen, die sie auch tatsächlich nutzen. Warum sollen Bürger, die vielleicht kein Auto nutzen, mit ihrer Lohnsteuer den Straßenbau finanzieren?

Natürlich steht es den deutschen Bürgern frei, mit ihren Ertragsteuern und Verkehrssteuern die Straßen zu finanzieren und allen Nutzern unentgeltlich zu überlassen. Es steht dem deutschen wie jedem anderen Staat auch frei, für seine Leistungen angemessene Gebühren zu verrechnen. Weil die staatlichen Leistungen – hier: die Straßeninfrastruktur – dann ja schon finanziert sind, ermöglicht dies naturgemäß, andere Steuern und Abgaben zu senken, so auch die Kfz-Steuer.

Nicht-harmonisierter Bereich

Die Einhebung von Steuern und Abgaben gehört zu den nicht-harmonisierten Bereichen des Unionsrechtes, Nationalstaaten dürfen daher ihre Ausgaben durch Ertragsteuern, Verkehrssteuern oder sonstige Abgaben finanzieren. Andererseits müssen Nationalstaaten aber bei zusätzlichen, in nicht diskriminierender Weise eingehobenen Mautentgelten, die dann nicht benötigten Steuern und Abgaben senken dürfen, im konkreten Fall durch eine Senkung der Kfz-Steuer.

Den eigenen Bürgern dabei fälschlich zu suggerieren, dass auf diese Weise die Straßenbenützungsgebühr nur Nicht-Deutsche belaste, ist unbegründet. Richtig ist, dass mit der Einführung einer Straßenmaut die bisher durch nationale Steuern und Abgaben querfinanzierte Straßeninfrastruktur nun durch die jeweiligen Benutzer, Inländer wie Ausländer, finanziert wird, sodass eine Querfinanzierung durch nationale Steuern entfallen kann. Eher wäre darin die Beseitigung der Benachteiligung der bislang finanzierenden Inländer zu erblicken als eine Diskriminierung von Ausländern.

Der Autor ist Partner und Leiter der Fachabteilung für Vergaberecht, EU-Wettbewerbsrecht und öffentliches Wirtschaftsrecht bei CMS Reich-Rohrwig Hainz, Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)

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