Archälogin: Auf den Spuren von Indiana Jones

(c) APA (OESTER.FORSCHUNGSZENTRUM DUERRNB)
  • Drucken

Die Archäologin Birgit Öhlinger forscht zu Ritual und Religion im archaischen Sizilien. Für ihre Dissertation untersuchte sie verschiedene Kultstätten und Heiligtümer.

Schon früh war Birgit Öhlinger von alten Kulturen fasziniert: Besonders die Ägypter hatten es ihr bereits als Volksschülerin angetan. Sie zerschnitt „GEO“-Hefte ihres Vaters und klebte Berichte über Ausgrabungen auf. „Und natürlich habe ich begeistert ,Indiana Jones‘ geschaut“, erzählt sie und lacht. Das Ägyptologiestudium in Wien bot ihr dann aber zu wenig der religionswissenschaftlichen Aspekte, die sie interessierten. Daher kehrte die Innsbruckerin schon bald nach Tirol zurück („Auch zu den Bergen, den Freuden“) und studierte dort Klassische Archäologie und Alte Geschichte.

Gerade auf der Suche nach einem Dissertationsthema, bot ihr Erich Kistler am Institut für Archäologien an der Universität Innsbruck eine Stelle als Assistentin bei einem Projekt des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF an.

Archaischer Kultplatz

Im Zentrum dieses Projekts steht die seit prähistorischer Zeit besiedelte Siedlung Monte Iato westlich von Palermo auf Sizilien, vor allem die Erforschung eines bedeutenden archaischen Kultplatzes. „Meine Arbeit sollte klären, welche Kultorte und Heiligtümer es im Binnenland schon gab, und wie sich ihr Aussehen und die Architektur durch Ankunft von Griechen und Phöniziern zwischen dem achten und fünften Jahrhundert vor Christus veränderten“, so Öhlinger, die für ihre Dissertation 16 Siedlungen analysierte.

Die Interpretation ist schwierig: „Die Menschen dort hatten keine Schrift, und das wenige, was die Griechen – natürlich aus ihrer Sicht – über sie berichten, stammt aus späteren Jahrhunderten.“ Bei der Interpretation war die Archäologin auf Funde angewiesen. Sie belegte starke Veränderungen der Siedlungen und Kultstätten im Lauf der Jahrhunderte. Vieles lässt dabei auf griechische Einflüsse schließen. Beispielsweise wurden die vorher runden Kultbauten nun rechteckig und mit griechischen Schmuckelementen verziert.

„Mich beschäftigt vor allem die Frage, wie Begegnungen zwischen Kulturen ausgesehen haben“, berichtet die 30-Jährige von ihrem Archäologieverständnis. „Dort lebten ja schon Menschen, als es zu den neuen Ansiedlungen kam. Wie ist dieser Kontakt verlaufen? Wer hat wen und wie beeinflusst? Vor allem: Wie haben die Indigenen die Neuankömmlinge gesehen?“

Solche Fragen spiegeln einen neueren Trend in der Archäologie wider. „Das gerade gültige Weltbild beeinflusst immer unser Fachgebiet und seine Fragestellungen“, erklärt Öhlinger. „Im Kolonialismus vom 16. bis ins frühe 20. Jahrhundert wurden die Einheimischen von den europäischen Kolonialherren vor allem als Barbaren gesehen, die nichts zu bieten haben. Diese Sichtweise wurde auch auf die Antike übertragen: Griechen und Römer als überlegene Völker, über deren Ankunft die Unterworfenen nur dankbar sein konnten.“

In Zeiten der Globalisierung und weltweiten Vernetzung interessiere dagegen mehr die Verbundenheit der (antiken) Welt: „Wir wollen die indigene Bevölkerung nicht mehr als passiv darstellen, sondern als aktiven Teil im Prozess des Kennenlernens und Vermischens von Kulturen“, so Öhlinger. „Was passiert, wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen? Wie lösen sie ihre Probleme? Das ist mit heutigen Migrationsbewegungen vergleichbar.“

In Zukunft möchte die junge Archäologin versuchen, ihr Fach mit anderen Wissenschaften wie der Soziologie oder den Kulturwissenschaften zu verbinden. „Ich möchte neue Fragen an das Material stellen, die vorher in dieser Form noch nicht gefragt wurden“, sagt die begeisterte Fernreisende. Ihrem Fach bleibt Öhlinger aber treu. „Dieses Interesse hat mich mein Leben lang begleitet. Ich hatte Glück und konnte es zum Beruf machen.“

Zur Person

Birgit Öhlinger wurde 1983 in Innsbruck geboren, wo sie Klassische Archäologie und Alte Geschichte studierte. Ihre religionswissenschaftlich beeinflusste Dissertation über archaische Siedlungen und Heiligtümer auf Sizilien vor und nach Ankunft der Griechen verfasste sie im Rahmen eines Projekts des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF am Institut für Archäologien der Universität Innsbruck. Die Mittelmeerinsel soll auch weiterhin das Forschungsgebiet der Tirolerin bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.