Wahlforschung: Ein Kreuzerl allein reicht nicht

(c) Michaela Bruckberger
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In der Steiermark wollen Wissenschaftler bei der nächsten Landtagswahl testen, welche Wahlverfahren sich eignen, um die Politik wieder näher an die Menschen heranzuführen.

Die Frage danach, wie Bürger ihrem politischen Willen Ausdruck verleihen können, ist wohl so alt wie die Demokratie selbst. Im modernen Staat hat man sich auf eines der simpelsten Verfahren geeinigt: die Wahl durch bloßes Ankreuzen einer von mehreren Optionen. Manchmal (und gerade in jüngerer Zeit) ergänzt um die Möglichkeit, einem Kandidaten eine Vorzugsstimme zu erteilen.

Die Probleme sind offensichtlich: Eine inhaltliche Kommunikation zwischen Wähler und Gewähltem findet so nicht statt. Detaillierte Informationen über die wahren Anliegen und Überzeugungen der Wähler kann ein Kreuz auf einem Stimmzettel nie vermitteln.

An der Uni Graz will ein interdisziplinäres Team nun erforschen, wie Wahlverfahren verbessert werden können. Unter der Leitung von Richard Sturn vom Institut für Finanzwissenschaft und Öffentliche Wirtschaft – und in Zusammenarbeit mit dem Politologen Peter Filzmaier – will sich die Forschergruppe dem Thema empirisch annähern. „Wir wollen untersuchen, wie Wahlen gestaltet sein müssen, damit sich tatsächliche individuelle Präferenzen möglichst umfassend in der Gesamtentscheidung widerspiegeln“, sagt Sturn.

Eine spannende Möglichkeit bietet sich kommendes Jahr – bei der steirischen Landtagswahl, die spätestens im Herbst über die Bühne geht. Noch sind rechtliche Aspekte zu klären, das methodische Konzept steht aber. In der Nähe der offiziellen Wahllokale sollen die Wähler die Möglichkeit haben, (im Dienste der Wissenschaft) ein zweites Mal ihre Stimme abzugeben. Diesmal nach einem alternativen Wahlverfahren: Die Wähler müssen sich nun nicht für eine Option – also Partei – entscheiden, sondern können alle zur Verfügung stehenden Optionen mittels Punktesystems reihen. So zeige sich, sagt Sturn, auch „die relative Präferenz zwischen den Alternativen“. Schließlich mache es einen großen Unterschied, ob man etwa zwei Optionen nahezu gleich gut findet oder manche gänzlich ablehnt. Die Wahl wird so zwar komplizierter, führt aber auch zu „feineren Informationen“ über den tatsächlichen Wählerwillen.

Mit ersten Ergebnissen soll bereits wenige Monate nach der Wahl zu rechnen sein. Dann ist wieder die Politik am Zug. Vielleicht, sagt Sturn mit Blick auf die viel zitierte Demokratiemüdigkeit, „kann unsere Forschung ja Anstoß für politische Reformen sein“. (chs)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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