Ein Fußballderby und ein bisschen Nostalgie

SOCCER - BL, Rapid vs Altach
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Austria und Rapid kann man vor dem 310. Wiener Derby durchaus als Leidensgenossen bezeichnen. Für den Verlierer könnte es nämlich schon bald ungemütlich werden.

Fußballderbys üben auf die Fans einen ganz besonderen Reiz aus, davon konnte man sich auch am Freitag in den Abendstunden auf der Hohen Warte überzeugen. Es galt, der Vienna zum Geburtstag zu gratulieren: 120 Jahre sind die Döblinger nun alt und plagen sich in der Regionalliga ab. Zu den geladenen Gästen gehörte auch der Sportklub, auch so ein Traditionsverein, der schon bessere Zeiten erlebt hat. „Wurscht, ob Juve oder Roma, am liebsten zur Vienna-Oma“, war auf einem Transparent zu lesen. Dass man sich torlos trennte, das war den 5580 Fans auf der Hohen Warte letztlich gar nicht so wichtig, in erster Linie trösteten sie sich mit jeder Menge Nostalgie. Rein spielerisch betrachtet war's natürlich kein Offenbarungseid, aber Elfmeter, wie das der Sportklub gezeigt hat, haben schon ganz andere verschossen.

Bessere Zeiten haben auch schon die Wiener Austria und Rapid erlebt, am heutigen Sonntag steht man sich zum bereits 310.Mal gegenüber (live, 16.30 Uhr, ORF eins und Sky). Die Hütteldorfer sind seit drei Ligaspielen sieglos, in der Tabelle auf Platz sieben abgerutscht. Und in der Europa League hat man sich in Helsinki eine 1:2-Niederlage eingehandelt. Die Austria wiederum ist überhaupt nur Neunter – was unter dem Strich die Wiener Fußballkrise perfekt macht.

Zusammenhalt. Für Rapid steht einiges auf dem Spiel, die Hütteldorfer brauchen Erfolge, sonst könnte es schon in den kommenden Tagen ungemütlich werden. Geht das Europacup-Abenteuer zu Ende, ehe es eigentlich begonnen hat, dann werden die Fans ihren Unmut noch deutlicher kundtun. Darum appelliert Zoran Barišić, der leidgeplagte Rapid-Trainer auch, vor allem jetzt zusammenzuhalten. „Das wäre jetzt das Wichtigste“, sagt er. „Wenn Sonnenschein ist, dann ist es schön, dabei zu sein. Wenn es Gegenwind gibt und ein bisschen Regen dabei ist, dann ist es nicht mehr so schön.“

Ein Derby-Sieg könnte natürlich schlagartig viel verändern. Und gegen die Wiener Austria hat sich Grün-Weiß in jüngerer Vergangenheit recht wacker geschlagen. Fünf Spiele ist Rapid gegen den Erzrivalen ungeschlagen, zuletzt hat man dreimal in Serie gewonnen. Das sollte allen Beteiligten Mut machen. Aber die Hütteldorfer verfügen nicht mehr über jene Mannschaft, die im Vorjahr einen Europacup-Platz geholt hat. Die drei Führenden der internen Schützenliste sind weg, heuer scheitert man in erster Linie an enormer Ineffizienz. So wird jeder Ballbesitz sinnlos.

Trainer Barišić ist nicht zu beneiden, er weiß, wie viel es geschlagen hat. Aber er muss versuchen, auch weiterhin Ruhe auszustrahlen. „Wir brauchen Zeit, und wir brauchen Geduld“, sagt er immer wieder. „Wichtig ist, dass die Mannschaft trotzdem weiter an sich glaubt.“ Darum will er auch zurzeit die Zügel nicht anziehen. „Wenn ich der Mannschaft jetzt die Sporen gebe, dann wäre das sicher nicht förderlich.“

Im Ton etwas härter wird Andreas Müller, der deutsche Sportdirektor. „Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir den Turnaround schaffen“, stellt er unmissverständlich klar. Die Situation bezeichnet er nicht als kritisch, aber schwierig. „Wir brauchen mehr Selbstvertrauen, mehr Mut, mehr Entschlossenheit vor dem gegnerischen Tor. Das ist die ganz klare Forderung!“ Ob die Spieler mit dem Druck einfach nicht umgehen können? „Was ist Druck? Druck ist, wenn ich drei Kinder zu Hause habe und keinen Job – und sie nicht ernähren kann. Das ist Druck. Aber nicht, wenn ich Fußballer bin. Davon muss ich mich befreien.“Rapid hat bislang kein Konzept gefunden, wie man eine größere Torgefährlichkeit entwickeln kann. Und der slowenische Stürmer Robert Berić irrte zuletzt ohne Unterstützung an vorderster Front umher. „Wir spielen gut“, behauptet er. „Bis 20Meter vor dem Tor...“ Damit ist alles gesagt. „Es fehlt nicht viel“, sagt Berić. Aber offenbar etwas Entscheidendes. Ein vorerst unlösbares Problem.

Auch die Austria ist ziemlich unglücklich, man sitzt sozusagen im gleichen Boot. „Wir wollen uns mit einem Sieg auf Kurs bringen“, sagt Trainer Gerald Baumgartner. „Wir wissen, dass schön langsam Ergebnisse hermüssen.“ Schön langsam ist freilich eine maßlose Untertreibung, weil man in den vergangenen Wochen unter Wert geschlagen wurde.

Rapid sieht Baumgartner derzeit als Leidensgenossen. Das 1:2 der Hütteldorfer in Finnland gegen HJK Helsinki sei ein gutes Beispiel dafür gewesen. „Beide Clubs erleben derzeit, wie brutal das ergebnisorientierte Fußballgeschäft ist. Wir treten meist dominant auf, hinken aber bei den Ergebnissen den Erwartungen hinterher. Wir befinden uns in sehr ähnlichen Situationen“, sagt der 49-Jährige.

Die Tatsache, dass Rapid und Austria laut Bundesliga mit 61,6 und 59,1Prozent die besten Werte der Liga punkto Ballbesitz haben, unterstreichen Baumgartners Analysen. Auf die Frage, ob er sich den Start seiner Ära in Wien Favoriten so zäh vorgestellt habe, gestand der ehemalige Austria-Profi: „Nein, so schwierig habe ich es mir nicht vorgestellt.“ Der Punkt der Resignation ist aber noch lange nicht gekommen. „Ich habe noch genügend Ideen, wie es besser laufen könnte.“ Und wer kann das umsetzen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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