Neue Kompetenz gegen die Sucht

Rauchende Frau mit einer Zigarette
Rauchende Frau mit einer Zigarette(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Mehrere Institute der Medizinischen Universität Wien wollen gemeinsam ein neues Kompetenzzentrum aufbauen, um Probleme mit Sucht zu behandeln.

Wir wollen die Leute über Sucht informieren. Jeder, der Suchtmittel konsumiert, soll wissen, womit er es zu tun hat – und es aber auch wissen wollen“, sagt der Psychopharmakologe Harald Sitte vom Institut für Pharmakologie. Er ist der Initiator des neuen Suchtforschungszentrums Center for Addiction Research & Science (AddRess) in Wien. Daran beteiligen sich das Zentrum für Physiologie und Pharmakologie, die Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, das Zentrum für Public Health sowie das Zentrum für Hirnforschung. Es soll auf jegliche Art von Suchtmittel eingegangen werden: Alkohol, Medikamente, Drogen wie Ecstasy, Speed, Kokain, Cannabis und Heroin, aber auch nicht substanzgebundene Süchte wie Glückspiel-, Internet- oder Kaufsucht.

„Es geht uns um den kritischen Diskurs und darum, die Öffentlichkeit in Kenntnis zu setzen; wir wollen nicht Verunsicherungen auslösen, sondern ausräumen“, sagt Sitte. Das Zentrum soll für Forschung und Lehre zuständig sein und die ärztliche Tätigkeit hinsichtlich Suchterkrankungen unterstützen.

Sitte selbst betreibt Grundlagenforschung über Amphetamine und verwandte Substanzen: psychoaktive Substanzen, die anregend wirken („Speed“). Hier geht es darum, die molekulare Wirkungsweise von Amphetaminen besser zu verstehen, da immer neue Substanzen auf den Markt kommen. So gibt es jetzt etwa Stoffe, die zugleich die Wirkung von Amphetaminen und Kokain haben können – allerdings auf unterschiedlichen Zielstrukturen.

Bei vielen Inhaltsstoffen ist noch gar nicht bekannt, wie sie wirken. „Ich habe mich immer schon während des Studiums gefragt, warum über Amphetamin in den Lehrbüchern nur so schwammig berichtet wird – man wusste einfach nicht, was genau es bewirkt. Dem wollen wir entgegenarbeiten“, so Sitte. Zu den weiteren Aufgaben des Instituts zählen Suchtforschungskoordination, öffentliche Aufklärung und Unterstützung von Organisationen, die Prävention betreiben. Es soll regelmäßig Tagungen geben, um Experten nach Wien zu holen, Informationstage an Schulen sind in Planung. Die kurzfristigen Ziele sind es, eine Website aufzubauen, eine Beteiligung an der Lehre und die Einreichung einschlägiger Projektanträge. Forschende verschiedener Institutionen sollen zusammengeführt werden, um über Strategien zu diskutieren, wie Suchtprobleme gelöst werden können. „Auch im Medizinstudium soll das Thema Sucht vermehrt im Vordergrund stehen, um die diesbezügliche Ausbildung zu verbessern“, erklärt Sitte.

Kooperation mit Checkit!

Darüber hinaus arbeitet das Zentrum mit Checkit! zusammen, der Informations- und Beratungsstelle der Suchthilfe Wien und des klinischen Institutes für medizinische und chemische Labordiagnostik, AKH Wien. Checkit! bietet Beratung und Informationen über diverse Drogen an. Eine besonders gelungene Idee von Checkit! ist es, bei Festivals oder in Clubs die Möglichkeit zu bieten, die Inhaltsstoffe von Drogen vor Ort analysieren zu lassen. Denn die schwanken oft stark, es können unbekannte oder gesundheitlich besonders bedenkliche Verbindungen enthalten sein, unerwartet hohe Dosierungen oder auch Verunreinigungen.

Um wirklich etwas zu bewirken, ist Öffentlichkeitsarbeit ganz wichtig: „Die Forscher, die im Tätigkeitsbereich Sucht arbeiten, sollen für die Öffentlichkeit sichtbar werden, denn wir haben etwas zu sagen, und es betrifft euch.“ Der Weg in die Abhängigkeit kann oft schneller gehen, als wir denken, und wird sehr oft nicht wahrgenommen. Der erste Schritt für Betroffene ist es, sich einzugestehen, dass sie ein Problem haben und Hilfe brauchen – und diese Hilfe gibt es.

LEXIKON

Sucht definiert die Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten. Der Süchtige hat einen übermächtigen Wunsch, mittels bestimmter Substanzen oder Verhaltensweisen belastende Gefühle zu vermeiden. Man unterscheidet substanzbezogene Abhängigkeit (z.B. Alkoholismus) und verhaltensbezogene Abhängigkeit (z.B. Glücksspiele). In Österreich steht an erster Stelle die Nikotinsucht, gefolgt von der Kaufsucht und der Alkoholsucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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