Malereien, Verse: Die letzten "Ghettospuren" in Theresienstadt

Malereien, Verse: Die letzten
Malereien, Verse: Die letzten "Ghettospuren" in Theresienstadt©WILDFISCH, Roland Wildberg, Uta Fischer
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Mit einem Online-Projekt sollen die Spuren des ehemaligen KZ in der tschechischen Stadt Terezin vor dem Verschwinden bewahrt werden.

Zwei Händchen haltende Marienkäfer, auf Augenhöhe eines Kindes an die Wand gemalt; die Unterschrift B. Nettl in eine Mauer geritzt; Matratzen als provisorische Zwischenwände an den Dachstuhl genagelt: Spuren des Konzentrationslagers Theresienstadt finden sich noch heute an vielen Stellen der tschechischen Stadt Terezin. Das Online-Projekt "Ghettospuren" will sie vor dem Verschwinden bewahren.

Seit 2012 fotografieren die Projektleiterin und Stadtplanerin Uta Fischer und ein deutsch-tschechisches Team die Spuren im ehemaligen Sammel- und Durchgangslager der Nationalsozialisten. Von 1941 bis 1945 waren hier mehr als 140.000 Menschen interniert, darunter auch rund 16.000 Österreicher. Mehr als 33.000 Gefangene starben an Hunger und Krankheiten, für weitere 84.000 bedeutete die Deportation nach Auschwitz und andere Vernichtungslager den Tod.

Genauso schnell wie sich die gesamte Festungsstadt Terezin mit Beschluss der Nazis in das riesige und meist überfüllte Konzentrationslager Theresienstadt verwandelte, kehrte die tschechische Bevölkerung nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die Stadt zurück. Heute wohnen rund 3000 Menschen in dem Ort. Dennoch blieben Hinweise auf die Häftlinge und ihre Notsituation zurück, die oft erst Jahrzehnte später entdeckt wurden.

©WILDFISCH, Roland Wildberg, Uta Fischer

Auf der Online-Plattform ghettospuren.de sind nun die ersten Ergebnisse dieser Arbeit zu sehen. Zu jeder Spur ist auch der Kontext nachzulesen: Die Inschrift "B. Nettl 1943/44 G.W. 19" hinterließ etwa Benedikt Nettl, der am 5. Juli 1943 mit dem Transport "De" von Prag nach Theresienstadt kam. Im August 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet und im Oktober schließlich in die Kleine Festung - das berüchtigte Gestapogefängnis gegenüber des Ghettos - überstellt. Mit welchen Vorwürfen man ihn dort konfrontierte bzw. was danach geschah, ist nicht bekannt. Die Abkürzung G.W. steht für "Ghettowache" - Teil der mit beschränkter Autonomie verbundenen "jüdischen Selbstverwaltung" Theresienstadts.

Neben persönlichen Inschriften finden sich aber auch Hinweise auf das tägliche Leben im Lager: In roten Lettern prangt etwa "Freies Ausspucken verboten!" auf einer Wand, lange Nägel dienten als Kleiderhaken oder Handtuchhalter. Ein niederländischer Häftling hinterließ dagegen folgende Verse an einer Wand einer kleinen Kammer: "O Wanze, o Wanze, o Wanze, o unheimliches Biest, was tanzt du die ganze Nacht auf mir herum. Ich liege und wälze mich vor lauter Juckreiz. Ich fühle dich die ganze Zeit jucken, von meinem Kopf bis zu den Zehen." Ungeziefer war aufgrund der hygienischen Zustände eines der Alltagsprobleme des Konzentrationslagers.

Viele Internierte verbrachten hier Jahre. Davon zeugt auch eine erst in den 1990er-Jahren entdeckte jüdische Gebetsstube, deren Wände über und über mit Malereien verziert wurde, darunter etwa brennende Kerzen.

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(APA)

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