Der Proporz wird zum Auslaufmodell

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Neben Vorarlberg, Tirol und Salzburg stellen nächstes Jahr auch das Burgenland und die Steiermark auf freie Koalitionen um. Nur Nieder- und Oberösterreich halten am Proporz fest - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Wien. Ursprünglich war es als Stabilitätsfaktor gedacht, um einen Bürgerkrieg wie im Jahr 1934 zu verhindern. In der Zweiten Republik wurde es dann mehr und mehr zum Synonym für Parteibuchwirtschaft und Postenschacher rot-schwarzer Prägung. Mittlerweile aber ist das – vom Wort Proportionalität abgeleitete – Proporzsystem, in dem alle Parteien ab einer gewissen Stärke an der Regierung beteiligt werden, zum Auslaufmodell in den Bundesländern geworden.

Denn mit Jahresbeginn 2015 stellt auch das Burgenland auf ein Mehrheitssystem um, wie man es vom Bund kennt – als viertes Bundesland. Im Herbst 2015, nach der Landtagswahl, folgt dann die Steiermark. In beiden Ländern wird die nächste Landesregierung nur noch von Parteien gebildet, die sich zu einer Koalition zusammengetan haben.

In anderen Bundesländern bleibt dagegen alles beim Alten. Und Wien hat (siehe untenstehenden Bericht) weiterhin eine Mischform. Was manche Landeshauptleute am Proporz festhalten lässt, was die Reformer antreibt, und was mit den (Landesverfassungs-)Reformen einhergeht: ein kleiner Streifzug durch Österreich.

1 Vorarlberg, Salzburg und Tirol: Wo es seit Längerem schon ein Mehrheitssystem gibt.

In Vorarlberg hat es den Proporz nie gegeben. Die Landesregierung wird dort bereits seit dem Jahr 1923 nach dem Mehrheitssystem gebildet. Und die Mehrheit hatte fast immer die ÖVP allein (wobei sie einen Regierungssitz meist freiwillig abgab). Ende September ging die schwarze Absolute zum zweiten Mal nach 1999 verloren, weshalb das Land in den nächsten fünf Jahren von einer Koalition aus ÖVP und Grünen regiert wird.

Die ersten Bundesländer, die sich vom Proporzsystem verabschiedet haben, waren Tirol und Salzburg – beide im Jahr 1998. In Tirol gibt es derzeit eine schwarz-grüne Koalition. In Salzburg regieren ÖVP und Grüne gemeinsam mit dem Team Stronach.

2 Burgenland und Steiermark: Wo es demnächst ein Mehrheitssystem geben wird.

In der Steiermark hat der Landtag im November 2011 eine Verfassungsreform inklusive Proporzabschaffung beschlossen. Wirksam wird sie allerdings erst nach der nächsten Landtagswahl im Herbst 2015. Deshalb stellt die FPÖ mit Gerhard Kurzmann nach wie vor einen Landesrat (für Verkehr, Technik und Umwelt), obwohl es einen Koalitionspakt zwischen SPÖ und ÖVP gibt.

Die steirische Verfassungsreform beinhaltet auch eine Verkleinerung der Landesregierung von neun auf sechs bis acht Mitglieder bzw. des Landtags von 56 auf 48 Mandatare, was pro Periode mindestens fünf Millionen Euro an Einsparungen bringen soll.

Im Burgenland ging die zwischen den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP vereinbarte Verfassungsreform diese Woche in Begutachtung. Der Landtagsbeschluss folgt im Dezember, damit die Neuerungen mit Jahresbeginn und damit rechtzeitig vor der Landtagswahl im Frühjahr (vermutlich im Mai oder Juni) in Kraft treten können.

Der Hintergrund? SPÖ und ÖVP wollen im Burgenland nicht mehr länger aneinandergekettet bleiben, neue Koalitionen sollen möglich werden. Und so unterstellen sich die Parteien im beginnenden Wahlkampf schon wechselseitig, in der nächsten Legislaturperiode eigentlich mit den Freiheitlichen koalieren zu wollen.

Der Gesetzesentwurf beinhaltet auch, dass die stimmenstärkste Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Die burgenländische Landesregierung wird spätestens ab der übernächsten Periode von sieben auf fünf Mitglieder verkleinert. In der nächsten legt der Landtag genau die Zahl der Landesräte fest, wobei es maximal sieben sein dürfen. Im Landtag selbst wird es jedenfalls weiterhin 36 Abgeordnete geben.

3 Kärnten: Wo es bisher nur beim Versprechen blieb, den Proporz abzuschaffen.

In Kärnten haben die Koalitionsparteien SPÖ, ÖVP und Grüne mit ihrem Amtsantritt im März 2013 das Ende des Proporzsystems beschlossen. Außer einer Enquete im Landtag, in der die Vor- und Nachteile einer möglichen Umstellung debattiert wurden, ist bisher aber nicht viel geschehen.

Von sieben Sitzen in der aktuellen Kärntner Proporzregierung entfallen drei auf die SPÖ und jeweils einer auf die ÖVP, die Grünen, die Freiheitlichen und das Team Stronach. Wobei sich die Nicht-Koalitionsparteien in der Landesregierung mit den weniger lukrativen Ressorts begnügen müssen: Der Freiheitliche Christian Ragger ist für Rechtliche Angelegenheiten, Jagd und Nationalparks zuständig. Gerhard Köfer vom Team Stronach verantwortet die Bereiche Straßenbau und Fischereiwesen.

4 Niederösterreich und Oberösterreich:

Wo vorerst alles bleibt, wie es ist.

In Niederösterreich hat die ÖVP trotz absoluter Mehrheit einen kleinen Koalitionspakt – Arbeitsübereinkommen genannt – mit der SPÖ geschlossen. Darin wird ausdrücklich festgehalten, dass der Proporz nicht abgeschafft wird. Landeshauptmann Erwin Pröll kam einem Wunsch der SPÖ nach, die befürchtet, nach der nächsten Landtagswahl 2018 nicht mehr an der Regierung beteiligt zu werden. Derzeit stellt sie zwei Landesräte, das Team Stronach einen.

In Oberösterreich gibt es seit 2009 die paradoxe Situation, dass alle Landtagsparteien, also ÖVP, SPÖ, Freiheitliche und Grüne, auch in der Landesregierung vertreten sind. Dem Proporzsystem sei Dank. Obwohl es dort eigentlich eine schwarz-grüne Koalition gibt.

Eine Verfassungsreform ist nicht in Sicht, obwohl sie die Grünen gern hätten. Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) ist zwar gesprächsbereit, allerdings gibt es im Landtag derzeit nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Systemänderung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2014)

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