Vorsicht vor Montenegro

Marcel Koller, Österreichs Teamchef, könnte seiner Mannschaft das nötige Glück bescheren, das seinen Vorgängern gefehlt hat. Verlassen sollte sich aber niemand darauf.

Es ist viel zu früh, um über Österreichs Chancen in der Fußball-EM-Qualifikation zu spekulieren. In der Republik Moldau ist zwar ein wichtiger Sieg gelungen, mit Ruhm aber haben sich die Spieler von Teamchef Marcel Koller nicht bekleckert. Aber der Schweizer könnte diesmal tatsächlich jenes Glück haben, das man eben braucht, um bei einem Turnier dabei zu sein. Koller hat keinen Andreas Herzog oder Toni Polster zur Verfügung, er hat einen David Alaba und andere. Aber vor allem ein Team, das bereit ist, alles zu geben. Die Herzen der Fans hat die ÖFB-Auswahl bereits erobert, Marcel Koller wird zugetraut, dass er die Trendwende schafft und aus den Österreichern tatsächlich noch eine Elf von Siegern formt. Das heutige Duell gegen Montenegro ist so gut wie ausverkauft, für das Heimspiel gegen Russland gibt es keine Karten mehr – und das Freundschaftsspiel gegen Brasilien war in Rekordzeit ausverkauft. In weniger als 24 Stunden waren alle Tickets vergriffen.

Mit Montenegro wartet heute ein Gegner, der laut Fifa-Weltrangliste mit Österreich ungefähr auf einer Stufe steht. Rot-Weiß-Rot liegt auf Rang 39, der junge Staat (erstes Länderspiel: Ende März 2007) auf Platz 43. Die Montenegriner sind in den vergangenen beiden Qualifikationen einer Turnierteilnahme deutlich näher gekommen als die ÖFB-Auswahl. Die EM 2012 hat man denkbar knapp verpasst, hat das Play-off erreicht – und ist erst an Tschechien gescheitert. Davor aber hat man Wales, Bulgarien und die Schweiz geschlagen. Und die WM in Brasilien war lange in Reichweite, erst eine 1:4-Niederlage in England hat Montenegro aus dem Rennen geworfen.

Vorsicht ist also geboten, auch wenn die Montenegriner vor wenigen Tagen in Liechtenstein kein Tor geschossen haben. Grund zur Überheblichkeit gibt es für die Österreicher keinen, wer den Gegner unterschätzt, der hat auch schon vor dem Anpfiff verloren. Mit Mirko Vučinić (früher AS Roma und Juventus Turin) und Stevan Jovetić (Manchester City) verfügen die Montenegriner über das vielleicht stärkste Stürmerduo in der Gruppe. Die beiden müssen neutralisiert werden, sonst könnte es ein böses Erwachen geben.

An Torjägern ist Marcel Koller nicht gesegnet, nach der Sperre von Marc Janko muss ein Angreifer aus der zweiten deutschen Bundesliga einspringen. Das zeigt, wie dünn die Personaldecke in Wahrheit auf einigen Positionen ist. Die Österreicher werden also nicht nur auf dem Rasen Fortuna brauchen, sondern das Team muss auch hoffen, in dieser Qualifikation weitgehend vom Verletzungspech verschont zu bleiben. Die Auslosung ist schwer genug, denn 2015 schlägt die Stunde der Wahrheit geballt: in Stockholm, Moskau und Podgorica.

wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2014)

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