Die Legende von Schwarz-Grün

Van der Bellen und Molterer auf Augenhöhe.
Van der Bellen und Molterer auf Augenhöhe.(c) AP (Hans Punz)
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Eine Koalition zwischen ÖVP und Öko-Partei gilt als vielversprechendes politisches Projekt. Doch stehen seiner Realisierung derzeit besonders viele Hürden entgegen.

Wien.Mit dem „Es reicht“-Bruch der Koalition mit der SPÖ hat Vizekanzler und ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer sogar seine schwarzen Parteifreunde überrascht. Während die ÖVP nun jede Gelegenheit benutzt, um zu signalisieren, dass bei ihr der bisherige Koalitionspartner SPÖ unten durch ist, werden inzwischen von Molterer abwärts den Grünen schöne Augen gemacht. Dort ist Parteichef Alexander Van der Bellen bereitwillig auf den Flirt eingestiegen, denn damit bietet sich die für ihn vermutlich letzte Chance, sein Traumziel eines Regierungseinzuges noch zu schaffen. Allerdings warten auf einem Weg zu einer etwaigen schwarz-grünen Hochzeit jede Menge Hindernisse:
Keine Mehrheit: Das Haupthindernis für eine schwarz-grüne Zweier-Koalition ergibt sich rein rechnerisch. Nach den derzeitigen Umfragen ist es höchst unrealistisch, dass die beiden Parteien nach dem 28. September eine Mehrheit im neuen Nationalrat haben werden. Dies wissend hat Molterer bereits laut über die Variante einer Dreier-Koalition nachgedacht. Allerdings muss erst einmal eine der Kleinparteien (Liberales Forum, Liste Dinkhauser) den Einzug ins Parlament schaffen. Das schwarz-grüne Märchen könnte schon damit enden, dass sich nach der Neuwahl rein rechnerisch wieder nur ein Zusammengehen von Schwarz und Rot ausgeht.
Keine Liebesheirat: Auch wenn das sommerliche Techtelmechtel einen anderen Eindruck erweckt, wäre ein Zusammengehen von ÖVP und Grünen keine Liebesheirat. Bei den Grünen sieht nach wie vor ein beträchtlicher Teil der Basis in inhaltlichen Fragen mehr Übereinstimmung mit der SPÖ als mit der ÖVP. Für die ÖVP ist das Balzen um die Öko-Partei notgedrungen auch von der Wahltaktik bestimmt. Die Große Koalition, die früher in der Gunst der Österreicher mit Abstand beliebteste Regierungsform, hat nach eineinhalb Jahren Dauerstreit enorm an Kredit verspielt hat. Indem die Schwarzen den Roten nun die kalte Schulter zeigen, soll vielen frustrierten und enttäuschten Wählern signalisiert werden, dass nach dem 28. September nicht mehr mit einer Fortsetzung dieses „Trauerspiels“ zu rechnen ist. Realität ist allerdings auch, dass glühende ehemalige Befürworter einer Großen Koalition in der ÖVP mittlerweile völlig ernüchtert dastehen.
Lückenbüßer für Schwarz-Blau: Die – notgedrungene – Hinwendung zu den Grünen erfolgt in der ÖVP jetzt auch, weil Schwarz-Blau im Gegensatz zu 1999/2000 in der Bundes-ÖVP nicht als Koalitionsalternative gilt. Es wird massiv bezweifelt, dass es in der FPÖ derzeit genug Persönlichkeiten gibt, die ministrabel sind. Außerdem gilt der strikte Anti-EU-Kurs von Parteiobmann Heinz-Christian Strache als ein Ausschließungsgrund.
Aversionen gegen Personen: Für die Grünen kommt kein Zusammengehen mit einer ÖVP in Frage, in der Altkanzler Wolfgang Schüssel noch irgendeine Rolle spielt. Umgekehrt gilt für die ÖVP Peter Pilz wegen seiner U-Ausschuss-Aktivitäten gegen ÖVP-Innenminister als rotes Tuch.
Kluft bei Asylpolitik: Während Stolpersteine wie der Eurofighter-Kauf (weil diese inzwischen schon in Österreich sind) de facto beseitigt sind, war und ist die Ausländerpolitik ein Spaltpilz. Das gilt vor allem beim Thema Asyl. Die ÖVP steuert im Wahlkampf mit Neo-Innenministerin Maria Fekter auf einem Kurs, das Asylrecht noch zu verschärfen. Die Grünen wollen dagegen ein Bleiberecht nach langjährigem Aufenthalt in Österreich.
Zankapfel Gesamtschule: Bei der Einführung einer Gesamtschule, einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen, hat sich bereits die SPÖ die Zähne ausgebissen, sie konnte der ÖVP, die auf einem differenzierten Schulwesen mit Hauptschule und Gymnasium beharrt, nur die Erprobung in bestimmten Regionen abtrotzen. Damit ist die Konfrontation mit den Gesamtschulverfechtern bei den Grünen, die speziell in der Lehrerschaft eine starke Anhängerschaft haben, programmiert.
Konfrontation um Pensionen: Einschnitte bei den Pensionen waren 2003 ein Grund für das Scheitern der schwarz-grünen Koalitionsgespräche. Auf ÖVP-Druck wurden seither Eingriffe, etwa bei den Frühpensionen vorgenommen. Bei einer „Pensionsautomatik“ samt höherem Pensionsalter können die Grünen nicht mit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2008)

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