70 China

(c) Martin Amanshauser
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Ich fuhr mit den Sonic Bastards auf Chinatournee – Nachruf auf eine besondere Band.

In Wuhan, im Frühling 2005, sehe ich mein erstes österreichisches Punk-Konzert im Ausland – und traue meinen Augen nicht: Zweihundertfünfzig hysterische Fans warten auf die „Sonic Bastards“ aus Mödling.
Die drei Herren betreten energischen Schritts die Bühne, und sie machen nicht viele Worte. „Good evening!”, brüllt Leadsänger Martin Liter King ins Mikrofon, „this is Austrian punkrock!” Und schon fetzen die ersten Akkorde durch die West Bar. Die Superstars: Texter und Gitarrist Martin Liter King, 33, kurz MLK, charismatischer Frontman mit tiefschwarzen Haaren. John Boy Bastard, 28, Errichter von Bassmauern – ein breitschultriger Skin. Dahinter Gringo Star, 26, am Schlagzeug, Rhythmiker mit bunt verzweigtem Rückentattoo.
Shanghai und Kanton anstelle von Ernst-Kirchweger-Haus und Tüwi – statt depressiven Sonderlingen mit Ottakringerdosen ein aufgewecktes, fanatisches Publikum. Die vorderen Zuschauerreihen headbangen um ihr Leben – eine pogende Menge, manche mit Iro-Frisur, andere in bravem H&M-Copycat-Outfit. 16 Konzerte in 18 Tagen – Auftritte in allen Metropolen. Autogramme schreiben, Blitzlichtgewitter: Im Reich der Mitte steht die Punkrock-Welt für die Sonic Bastards Kopf.
„In Zhengzhou liefen wir durch ein Spalier abklatschender Fans”, erinnert sich MLK, „unfassbar.” In Chengdu spielten sie im dritten Stock eines Bürohauses. „Eine leere Etage, 500 Leute springen in die Luft, und der ganze Staub, der aufsteigt. Die Veranstalter haben Wasserkübel ins Publikum geschossen.” Ebenso spektakulär zwei Gigs in Peking: „Die-se roten Wände und schwarzen Ledergarnituren im Yu-Gong-Yi-Shan-Club“, erzählt John Boy, „und die No-Name-Highland-Bar am nächsten Tag, so ein Bauchschlitzerlokal wie aus einem Terence-Hill-Film, mit Säbel und Ketten an den Wänden.“

„Was wir machen, würde sich eine große Band nicht antun“, so John Boy, „es ist definitiv keine Tour durch Fünfsternhotels.“
Gage plus Eintrittsgelder finanzieren Eisenbahntickets plus Hotelzimmer. Organisation und Abwicklung besorgt Managerin Yang Yang, Übersetzerin Sabu verwaltet das Geld. „Die Mädels kämpfen wie Drachen für uns“, beobachtet Gringo Star, „Yang Yang und Sabu sind perfekt.“ Am jeweiligen Bahnhof wird das Grüppchen von den lokalen Punks, fast möchte man sagen, den Punk-Funktionären, abgeholt. Meist geht’s direkt zum Soundcheck.
„Reich werden wir nicht“, meint MLK, „aber das Feeling zählt. Die Punkbewegung ist hier noch frisch und jung. Die brauchen nicht einmal, wie soll man das ausdrücken, Uniformen. Ich meine, mir gefällt mein Zeug, deshalb trag ich es. Aber in China ist Punk noch Sache der inneren Einstellung. Die bauen gemeinsam etwas auf – anders als in Europa, wo jeder Kulturverein seine eigene Suppe kocht!”
Wien, 2008. Mich erreicht eine schlechte Nachricht: Die in Asien wohl berühmteste österreichische Punkband hat sich aufgelöst – wegen musikalischer Differenzen. Lebt wohl, Bastards!

Zum Autor

Martin Amanshauser, „Logbuch Welt“, 52 Reiseziele, Bestell-Info: Fax 01/51414-277.


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