Amanshausers Welt: 89 Kuba

(c) Martin Amanshauser
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Mietauto in Kuba: da ist es unmöglich, nicht mit Menschen in Kontakt zu kommen.

Kuba ist das Autostopp-Land Nummer eins der Welt. Fahrer mit blauen Nummerntafeln (Beamte, Staatsdiener) sind sogar gesetzlich verpflichtet, Autostopper mitzunehmen. Aber auch Mietauto-Touristen (braune Nummerntafel) stehen irgendwie unter der moralischen Verpflichtung, das wartende Volk einsteigen zu lassen.
Die Erste ist Dona Haydee, und sie spricht sofort von Politik. Fidel sei der Größte. Ihr Beweis: Im Vergleich zu den USA gibt es in Kuba eine tolle Gesundheitsversorgung.

Diese Terrorattacke auf das WTC sei im Übrigen von den Amerikanern selbst inszeniert worden! Man habe vom Flugzeug, das bei Philadelphia abgestürzt sei, keine Wrackteile gefunden, all die brisanten Ergebnisse seien vom FBI oder CIA beschlagnahmt worden. „Ich glaube nicht an diese Theorie“, wende ich leise ein. „Dann erklären Sie mir bitte, junger Mann“, ruft Dona Haydee aufgebracht, „wo denn die Wrackteile geblieben sind?! Eines Tages werden Sie noch an meine Worte denken!“ Ich räuspere mich und sage, ich würde lieber über Kuba sprechen. „Die verdammten Exilkubaner!“, ruft Dona Haydee, „stellen Sie sich vor, junger Mann, da kommen superreiche Emigranten aus dem Ausland, und die wollen Austria kaufen, was würden Sie dazu sagen?“ Ich murmle, dass es das in Austria eh gibt. Dona Haydee blickt mich entrüstet an.

Raúl, Zeitsoldat, 19, kann nicht fassen, das erste Mal in einem schnellen Auto zu sitzen. „Es muss wunderbar sein, ein solches Auto zu lenken!“ Wir sind auf der Autopista zwischen Habana und Santa Clara, vier oder fünf Spuren in beide Richtungen ohne Fahrstreifenmarkierung – und völlig leer, also können wir ausprobieren: 170, fast 180, Raúls Augen glänzen. „Mein Vater ist bei einem Autounfall gestorben“, sagt Raúl plötzlich, „letztes Jahr. Er war 48. Ein Besoffener ist ihm von der Seite reingefahren. Er war sehr wichtig für mich. Ich vergesse ihn nicht, ich trage ihn hier.“ Raúl deutet auf eine Stelle unter seinem Schlüsselbein. Er hat Tränen in den Augen. Ich erzähle ihm, dass auch mein Vater letztes Jahr gestorben ist. Längere Zeit schweigen wir. Ich drücke aufs Gas und er wiederholt: „Es muss wunderbar sein, ein solches Auto zu lenken.“

Hugo kann ein paar Sätze Deutsch: „Wie geht es Ihnen?“, und „Womit kann ich Ihnen dienen?“ Ein Arbeitskollege aus „Duseldorf“ habe ihm beigebracht, wie man die Frau bezeichnet – er bildet mit den Fingern ein unmissverständliches Dreieck: „Fotze!“ Ich reagierte mit moralischer Ablehnung („palabra muy ofensiva“), er fragt, weshalb. Ich ziehe mich auf den österreichisch-rassistischen Standpunkt zurück, bezeichnete das Wort als „muy alemán“. Also fragt er, wie wir in Österreich zu „Fotze“ sagen, und jetzt stehe ich hilflos da, will ihm keine „Muschi“ beibringen, ziehe mich auf den neutralsten Ausdruck zurück. Er prägt ihn sich ein, und jedes Mal, wenn er eine Frau sieht – und das ist oft – ruft er triumphierend „Wagner, Wagner, Wagner, Wagner!“

Info

Martin Amanshauser, „Logbuch Welt“, 52 Reiseziele, Bestell- Info: Fax 01/51414-277.


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