91 Marokko

(c) Amanshauser
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Philosophie im Cockpit: Turbulenzen sind gut, weil immerhin zum Glück Luft da ist!

In der Lauda-Air von Wien nach Agadir hatte ich die Gelegenheit, im Cockpit mitzufliegen. Ich weiß nicht, woher diese Fantasien kommen, aber aus irgendeinem Grund wunderte mich, dass da vorne nicht Champagner gesoffen und Samba getanzt wurde – denkt man instinktiv, je weiter vorne im Flugzeug, desto glamouröser der Stil?

Während des Starts nahmen die Piloten keine Notiz von mir. Konzentriert bewältigten sie ihre Checklisten-Feinarbeit. Erst nach Erreichen der Flughöhe drehte sich der Pilot zu mir: „Grüß Gott.“ Ich hielt Gott – trotz der
geografischen Nähe – für keine passende
Assoziation, antwortete aber aus Höflichkeit auch mit „Grüß Gott“, was den Copiloten zu einem „Guten Tag“ verleitete.

Verunsichert
durch diesen philosophischen Schlagabtausch, verlieh ich meiner Bewunderung Ausdruck: „Harte Arbeit ist das, so ein Start.“ Der Pilot schüttelte lächelnd den Kopf: „Nein, ist eher Routine.“ Ich fragte, ob Fliegen dann überhaupt je harte Arbeit sei. „Ungefähr zwei- oder dreimal im Jahr gibt es außergewöhnliche Situationen“, antwortete er, „bei denen man dann schon merkt, wofür man die Ausbildung gemacht hat.“

Ich ließ mir erklären, dass harte Landungen manchmal sicherer seien als weiche, „weil beim Landen gibt‘s ein Ziel, nämlich mit keinem Flügel den Boden zu berühren“, und ich lernte, dass Turbulenzen nur ein Beweis dafür seien, dass „immerhin zum Glück Luft da“ sei.
„Was ist eigentlich das?“, fragte ich und deutete auf eine Radaranzeige. „Radar“, sagte der Pilot. „Und die kleinen Punkte?“, fragte ich. „Andere Flugzeuge“, antwortete der Pilot. „Radar dient dazu, dass wir nicht mit anderen zusammenstoßen“, erklärte der Copilot und lachte.

Während der Mahlzeit
musste ich die Kabine verlassen. Ich fand es vornehm, dass sich die Piloten nicht wie Zootiere beim Essen zusehen ließen. Dreißig Minuten vor der Landung kam ich ins Cockpit zurück. Unter uns lag eine wunderbar orange marokkanische Mondlandschaft. Die Piloten notierten Zahlen, die ihnen eine Bodenstation in beunruhigend französischem Englisch durchgab. „Verstehst du des?“, fragte der Pilot den Copiloten. „Net im Geringsten“, antwortete der. „Wo ist eigentlich der verdammte Flughafen?“, fragte der Pilot und sah misstrauisch durch das Fenster. „Eh dort hinten“, erklärte der Copilot. „Ah genau, Agadir“, sagte der Pilot. Sie wandten sich ihren Checklisten zu und schwiegen, während wir Marokko entgegensanken.

Zuerst war ich überzeugt davon, dass sie mir einen Sketch vorspielten, aber als sich keiner davon überzeugte, ob ich lachte, spürte ich ein Frösteln. Auf den Armaturen blinkte ein Licht mit der Aufschrift „Alert“. Das schien die beiden wenig zu beeindrucken. Ob die es merkten? Ich überlegte, ob ich einen der Piloten anstupsen sollte („da blinkt was!“), aber ich traute mich nicht. Plötzlich kam die Mondlandschaft näher – wir landeten sicher und hart in Agadir.

TIPP

Martin Amanshauser, "Logbuch Welt", 52 Reiseziele,
Bestell- Info: Fax 01/514 14-277


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