93 Kosovo/Österreich

(c) Amanshauser
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Eine Fahrt am Traunsee entlang: Fadil, Autostopper, Maler, 55, erzählt.

Danke für das Mitnehmen! Die Monatskarte für den Postbus zwischen Ebensee und Gmunden kostet 43,50 Euro, nicht gerade billig, deshalb fahre ich per Autostopp. Manchmal warte ich zehn Minuten, bis ein Wagen stehen bleibt, manchmal nur eine Minute. Es gibt viele freundliche Österreicher. Meistens bleiben ältere Frauen stehen.

Aber natürlich verstehe ich auch die, die an Autostoppern vorbeifahren. Es gibt solche und solche. Wir im Kosovo sagen immer: Kein Finger gleicht dem anderen. Verstehen Sie? Junge Leute halten bei mir selten an. Ich sage Ihnen: Das ist mir auch lieber so. Ich mag die Raserei am Traunsee nicht. Sie ist gefährlich, und man spart maximal fünf Minuten.
Ich bin gelernter Maler und Anstreicher. Seit vielen Jahren komme ich regelmäßig ins Salzkammergut, denn ich mag die Gegend, und es gibt Arbeit. Dazwischen versuche ich im Kosovo etwas aufzubauen. Aber dort verdient man momentan höchstens 150 Euro im Monat. Davon kann niemand leben – und ich habe sechs Kinder. Die älteste Tochter ist zwanzig, sie will nach Deutschland oder in die Schweiz gehen. Denn der Aufschwung geht langsam voran. Unglaublich langsam. In vierzig Jahren, wenn meine Tochter Großmutter ist, wird der Kosovo vielleicht ein normales Land sein.

Ich komme aus Rahovec. Wir sprechen Albanisch, aber mit vielen serbischen Ausdrücken. An keinem Ort spricht man wie bei uns. Es sind schon Sprachforscher gekommen. Heute sagt jeder „Rahovec“, das ist albanisch. Die Serben nannten die Stadt Orahovac. Bei uns wohnen die Serben in einem Viertel am Hügel. Wir haben wenig Kontakt zu denen, man lernt einander kaum kennen. Ich kann aber nichts Negatives über sie sagen.

Rahovec liegt in einer Weingegend, hat ungefähr 50.000 Einwohner, ein großes Durcheinander, wegen der Minderheiten. Neben den Serben gibt es die Aschkali. Das sind Zigeuner, aber sie sprechen keine richtige Zigeunersprache, sondern Albanisch. Dann gibt es noch die Ägypter. Wir nennen sie so. Keiner weiß, ob sie wirklich aus Ägypten kommen, die sind auch eine Art von Zigeunern. Ägyptisch sprechen sie jedenfalls nicht, man darf sie daher nicht mit echten Ägyptern verwechseln. Das englische Wort „gypsy“ hat ja seine Wurzel ja auch in „Ägypter“. Sie wohnen in ihren eigenen Vierteln. Ich kenne weder einen Ägypter noch einen Aschkali näher.

Im Kosovo bin ich nur Maler.
Aber hier mache ich alles. Heute war ich in Ebensee Heckenschneiden. Keine schlechte Arbeit, sehr geruhsam. Ich bin nicht mehr der Jüngste. In Österreich verdiene ich 900 Euro, und jeden Monat schicke ich meiner Frau etwas in den Kosovo. Manchmal 400, manchmal 200, immer so viel, wie geht. Es ist mein Ehrgeiz, möglichst viel zu schicken. Ärgerlich, wenn wenig bleibt – das Leben in Österreich ist zu teuer. Für das Zimmer in Gmunden zahle ich 190 Euro. Eigentlich ist dieser Preis zu hoch. Die Leute dort sind schon nett. Aber wirklich kennen gelernt hab ich noch keinen Österreicher.

TIPP

Martin Amanshauser, „Logbuch Welt“, 52 Reiseziele,
Bestell- Info: Fax 01/51414-277.


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