94 Indien

(c) Martin Amanshauser
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Im „Beatles“ in Kovalam ändert sich die Kingfisher-Bier-Situation manchmal minütlich.

In Kovalam Beach sitzt man im „Beatles“. Dort gibt es Kingfisher-Bier. Das heißt, es ist nicht sicher, ob man, wenn man eines bestellt, es auch kriegt. Ist man Stammgast im „Beatles“, kann man zum Beispiel durchaus Kingfisher kriegen, und die Franzosen am Nebentisch kriegen keines. „No beer“, heißt es, und die Franzosen zeigen auf einen und fragen wütend: Wieso? Sie kriegen trotzdem weiterhin keines. Das freut einen. Man fühlt sich, wenn schon nicht als Inder, so doch als privilegierte Persönlichkeit.

Kovalam Beach ist Partymeile für Einheimische, die mit Motorrikschas aus Thiruvananthapuram, Hauptstadt mit kompliziertem Namen, anreisen. Anschließend sitzen sie an der Waterfront und trinken – der Religion entsprechend, aber möglichst – Bier. Die Rikschafahrer deklarieren sich auf ihren Fahrzeugen als Moslems (Aufkleber des Halbmonds mit Stern), als Hindus (am Armaturenbrett ein kleiner Tempel, außen Bilder vom Elefantengott Ganesh), als Christen (Kreuze, Jesusbilder) – die Kommunisten haben hingegen einen Aufkleber mit Halbmond, Ganesh und Jesus: alles gemeinsam.

Kommunisten sind in der Bundesstaat-Regierung seit über 50 Jahren vertreten, gerade jetzt stellen sie wieder den „Landeshauptmann“, V.S. Achutanandan. In Kerala regiert die CPI (M), wobei das M in der Klammer die marxistische Abspaltung ausdrückt. Jüngst sorgte Achutanandan, 84, für Aufregung, als er wegen Pestizid-Rückständen die Produktion von Pepsi und Cola einstellen ließ. Das „Beatles“, benannt nach den Beatles, die tatsächlich Kovalam besuchten, hat jedoch niemals Cola-Engpässe. Nur mit dem Kingfisher-Bier klappt es nicht für alle. Liegt es an dem einsam patroullierenden Strandpolizisten? An der fehlenden Alkohollizenz des „Beatles“ bzw. sämtlicher Lokale an der Waterfront?

Die Bierkühler auf dem Tisch sind Tonzylinder, sehen aus wie Weißweinkühler, gelegentlich kommt das Kingfisher auch in Zeitungspapier gewickelt. Zu den Franzosen kommt das Kingfisher gar nicht. Vielleicht ist der Bierkühler kein Kühler, sondern Sichtschutz. Einer der Franzosen nimmt sich ein Herz und fragt einen, wieso man eigentlich Bier bekommt? Da muss man mit den Achseln zucken: keine Ahnung, wirklich.

Irgendwann geben die Franzosen auf.
Schleichen davon. Man prostet ihnen nach. Inzwischen hat man das erste Kingfisher ausgetrunken. Man bestellt ein zweites Kingfisher. Der Kellner sieht einen nachdenklich an. Er meint, das ginge leider nicht: „Im Moment gibt’s ein Bierproblem.“ Verspricht aber, etwas dagegen zu tun. Man solle sitzen bleiben. Knapp darauf kommt es zu einem dreiminütigen auf das Lokal beschränkten Stromausfall: alles recht undurchschaubar. Alles, was man sich zusammenreimt, wirkt jetzt paranoid. Den Strandpolizisten will man ja nicht fragen. Da taucht der Kellner auf und verkündet: „In zwei Minuten gibt’s wieder Bier.“ Und zwei Minuten später gibt es dann tatsächlich Bier.

TIPP

Martin Amanshauser, „Logbuch Welt“, 52 Reiseziele, Bestell- Info: Fax 01/51414-277.


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