HAK Augarten: Klare Fronten in der Multi-Kulti-Klasse

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Für die Klasse 3AK sind Persönlichkeiten wichtiger als Programme.

Wien. Dürfte er wählen gehen, würde Daniel ihm ganz sicher nicht seine Stimme geben. „Erbärmlich“ findet der 17-Jährige Heinz-Christian Straches Umwerben der Austro-Serben, auch das blaue orthodoxe Gebetsbändchen des FPÖ-Politikers geht ihm gegen den Strich. „Nur die Dummen fallen auf den rein“, sagt er. Daniel ist in Wien aufgewachsen, an der Nationalratswahl darf er jedoch nicht teilnehmen: Er ist serbischer Staatsbürger.

Insgesamt drei der 22 Schüler aus der 3AK der Vienna Business School beim Augarten – einer privat geführten Handelsakademie der Wiener Kaufmannschaft – dürfen bei den Wahlen keine Stimme abgeben, obwohl sie das gerne tun würden. Die Programme durchforstet, eine Power-Point-Präsentation vorbereitet, wie es der Geschichte-Lehrer Gerhard Romanek für heute angeordnet hat, das haben sie dennoch. Denn Daniel, Erdi und Ferdi verfolgen die österreichische Politik aufmerksam, sagen sie.

Lautstark zu hören sind im Klassenzimmer vor allem die linken und rechten Stimmen: Die Reihen der Grün- und SP-Sympathisanten, und mittendrin ist da noch eine FPÖ-Fraktion. „Er macht das Richtige für uns Österreicher“, sagt Florian, ein schmächtiger Bursche mit Gel im Kurzhaarschnitt und blauem Sweater. „Niemand hat etwas gegen Ausländer, die sich anpassen“, meint seine Sitznachbarin Lisa, 16, mit gesenkter Stimme. Die zwei verheimlichen in der Pause ihre Präferenzen nicht, doch sollen ihre Mitschüler nicht so genau hören, was sie sagen: Mehr als ein Drittel der Klassenschüler haben einen nicht-österreichischen Familienhintergrund.

Anders als die aus dem Wahlkampf bekannten notorischen Negativbeispiele sitzen die „echten“ Migrantenkinder in der 3AK nur einen Platz weiter. Über Reizthemen wie Sicherheit, Asylmissbrauch und Kriminalität spricht die Mehrheit ausgesprochen freimütig; an den Migrantenmitschülern perlt das – rein äußerlich zumindest – ab. Ideologischen Kämpfen oder einem handfesten Konflikt entgeht die Klasse durch halb-ernste Anspielungen und Witze. „Wir haben keine Auseinandersetzungen“, beruhigt Gerhard Romanek.

Zwischen diesen klaren Fronten gehen die Kleinparteien unter: „Die Christen“ („Die sind gegen Schwule!“, empört sich ein Mädchen) oder die KPÖ sowieso; aber auch das BZÖ mit seinem Zugpferd Haider, „der fesch ist für sein Alter“, wie die schwarzhaarige Desiree findet, aber die Jungen dann doch nicht so anspricht; vermutlich, weil er weniger plakativ als „der HC“ ist.

„Jetzt zahlen eh die Eltern“

Nachdem die Schüler die Wahlplakate analysiert haben, ist klar: Kurze Botschaften, schnittige Persönlichkeiten kommen (gut) an. Die ÖVP scheint dem zum Opfer gefallen zu sein. Sonderbar, hätte man doch meinen können, sie hätte es in einer Wirtschaftsschule leichter. „Für mich ist die Wahl Privatsache, das Wirtschaftliche steht nicht im Vordergrund“, erklärt FP-Wähler Florian. Gerhard Romanek erklärt sich die Wahlentscheidungen so: „Unser Einzugsgebiet ist der zweite und der 20. Bezirk – das ist ein anderes Milieu als in Döbling.“

Alle Schüler (die meisten sind Erstwähler, ein paar haben schon in Niederösterreich gewählt) wollen am Sonntag zur Urne gehen – Euphorie aber hat die Jugendlichen nicht erfasst. Was auch daran liegt, erklären drei Freundinnen in der Pause, dass Jugendthemen im Wahlkampf keine große Rolle gespielt haben. „Man fühlt sich als Schüler nicht angesprochen“, sind sich Lisa und Barbara einig. Teuerung – „das betrifft uns nicht wirklich“, sagt Sanja. „Jetzt zahlen eh alles die Eltern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2008)

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