Regierungsbildung: Faymann drängt zur Eile

Faymann, Fischer
Faymann, Fischer(c) AP (Ronald Zak)
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Der SPÖ-Chef erwartet für kommenden Mittwoch den Auftrag des Bundespräsidenten. Heinz Fischer kritisierte gestern erstmals offen den rot-blau-orangen Antrag für EU-Volksabstimmungen.

WIEN (red./APA). Bundespräsident Heinz Fischer hat am Mittwoch beim Verfassungstag den von SPÖ, FPÖ und BZÖ unterstützten Initiativantrag, in dem Volksabstimmungen über alle wesentlichen Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU Union verlangt werden, erstmals offen kritisiert. „Hier wurde ein unbestimmter Gesetzesbegriff verwendet, der unter Garantie in konkreten Fällen zur Quelle heftiger Auseinandersetzungen und schwieriger verfassungsrechtlicher Streitfragen werden würde", sagte Heinz Fischer.

Der Antrag hatte bei der Sondersitzung des Nationalrats am 24. September nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten - die ÖVP hatte nicht zugestimmt. „Ich würde auch für die Zukunft dringend raten, die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe als Grundlage für die Entscheidung wichtiger staatspolitische Fragen mit größter Sorgfalt zu überlegen und nur unter Einbeziehung des Rates von Verfassungsexperten in Angriff zu nehmen", mahnte Fischer.

Die Parteichefs geben sich derzeit beim Bundespräsidenten die Türklinke in die Hand. Eineinhalb Stunden sprach Mittwochvormittag SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann mit Fischer in der Hofburg über das Nationalratswahlergebnis. Danach erklärte der SPÖ-Chef: Er gehe davon aus, am 8. Oktober den Auftrag zur Regierungsbildung zu erhalten - ein Termin sei mit dem Bundespräsidenten vereinbart.

Unmittelbar danach will Faymann die ÖVP zu Verhandlungen einladen, denn andere Koalitionsvarianten sieht er weiterhin nicht. Er habe ein gutes Gefühl, dass eine Regierung mit der ÖVP zustande komme, erklärte Faymann: „Ich weiß aber auch, dass es in der ÖVP viele Skeptiker gibt." Deshalb werde er der Volkspartei bestimmt „keine oberlehrerhaften Ratschläge" erteilen, um die Situation nicht noch weiter zu belasten.

„Vor Mitte, Ende November schwierig"

Der SPÖ-Vorsitzende drängt auf eine rasche Regierungsbildung: Angesichts der Finanzmarktkrise brauche man eine handlungsfähige Regierung. Wann eine Koalition frühestens stehen könne? „Vor Mitte, Ende November, wird es schwierig werden, eine Regierung zusammenzubringen."

Nach Faymann war der geschäftsführende Obmann der ÖVP an der Reihe: Eine knappe Stunde dauerte das Treffen Josef Prölls mit Fischer, der danach ebenso wie nach dem Gespräch mit Faymann keine Stellungnahme abgab. Josef Pröll war hingegen um Klarstellung bemüht: Die Volkspartei habe sich keinesfalls auf eine Große Koalition festgelegt. Er habe dem Bundespräsidenten auch mitgeteilt, dass es einen ÖVP-Vorstandsbeschluss gebe, wonach alle Optionen zu prüfen seien - auch der Gang der ÖVP in die Opposition.

Einer schwarz-blau-orangen Koalition begegnet Pröll mit Skepsis - ohne sich aber festzulegen. Das sei eine „arithmetische Möglichkeit, die nach wie vor im Raum steht". Allerdings könnten die Parteichefs von FPÖ und BZÖ, Heinz-Christian Strache und Jörg Haider, nicht einmal einen Kaffee miteinander trinken. Von einer sogenannten „Kenia-Koalition" (Rot-Schwarz-Grün, den kenianischen Landesfarben entsprechend), die zuletzt zusätzlich ins Spiel gebracht wurde, ist der geschäftsführende ÖVP-Chef alles andere als begeistert: „Ich war noch nicht in Kenia und habe auch Angst vor Malaria."

Geheimtreffen Faymann-Pröll?

Faymann und Pröll dementierten unisono, dass es bereits gestern einen ersten Gesprächstermin zwischen ihnen beiden gegeben habe. Der „Presse" wurde jedoch aus Insider-Kreisen berichtet, dass für den Abend sehr wohl ein geheimes Treffen geplant war. Fix sind drei andere Termine: Heute, Donnerstag, empfängt der Bundespräsident die Parteichefs von FPÖ und BZÖ, Strache und Haider. Am Freitag ist Grünen-Chef Alexander Van der Bellen zu Gast in der Hofburg. Für kommenden Dienstag sind dann die Sozialpartner und das Nationalratspräsidium geladen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2008)

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