Wortballungen

Botanisch: Hansjörg Zauners wilde Wortblütenformen, aus denen nach oben Triebe und nach unten Wurzeln wachsen.

Hansjörg Zauner ist seit vielen Jahren mit seiner Wort-Bild-Zerschleuderungsmaschine zugange. Das kann sich leicht totlaufen und bei einigen Büchern hatte man mitunter den Eindruck, eine kontrollierende oder lektorierende Hand habe den Spitzen und Untiefen der Zaunerschen Ungestümheit etwas zu viel Glätte und Normalisierung verordnet. Aber immer zeigen seine Texte ein je eigenes Gepräge.

Bei den 20 Abschnitten seines neuen Buches „sie ist im lieblingssong mit skistöcken als lächeln hängen geblieben“ kann man sich Zauners Werkzeugkiste etwa so vorstellen: Ein Wortstaubsauger, der den Großteil der Artikel, Für- und Füllwörter absaugt, sodass die bedeutungstragenden Worte und Wortknäuel stelzenartig in den Seitenhimmel ragen, bis ein Gummiringerl sie immer wieder in wechselnden Konstellationen zusammenschnalzen lässt. Dazu eine Schublade mit erlesenen Naschereien, Mangonougattrüffel mindestens.

Ein Computerprogramm könnte das Wortmaterial des Buches leicht quantitativ bewerten. Etwas abstrakter betrachtet lässt sich eine handgeführte Wackelkamera in der Tradition der Dogma-Filme ausmachen, Plastilin – aus dem hier alles sein kann, ob Fluggerät oder Klavier – oder andere leicht (ver)formbare Materialien, dazu ein Hubschrauber, der sich in die Wortfelder hineinverbohrt, dabei alles zerwirbelt und so die Relativität unserer Wahrnehmungen freilegt.

Das Wortmaterial kommt zum Teil direkt aus zugehörigen Wortfeldern; alles ist hier – wie in den beigefügten bildkünstlerischen Arbeiten Zauners – wirbelig, torkelt, purzelt und dreht sich spiralig oder propellerartig. Dazu kommen in immer neuen Kombinationen Bildvorstellungen wie Schneise und Stelze, Leinwand und Projektor, Wackelbild und Wackelpudding, aber auch Rosenblüten und Flötenhaar, Sieb und Lasso, Mammut und Koalabär. Und Zauners bewährte Tierbildgenerationsmaschine bereichert die fantastische Zoologie auch in diesem Band um überraschende Kreationen, etwa den singenden „klarinettenrabenwedelbären“. Wie eine Flipperkugel rollen die immer neu zusammengewürfelten Wortballungen durch die Textseiten, in denen sich „alle jemals gedachten und gesprochenen worte“ in- und übereinandertürmen, sich balgend und haschend.

Worterzählmaschine erfunden

„ich habe also schon längst diese weltweit begehrte worterzählmaschine erfunden, jeder der zu mir rhizt erfährt sofort seine gesprochenen noch zu sprechenden wortflüsterwerte“, heißt es einmal. Durch Zauners Texte reist man eben nicht einem Plot entlang, hier regiert ein rhizomatisches Denken und Schreiben, das die Baumstruktur mit klar bestimmbaren Beziehungspunkten ablöst. Botanisch ist das Rhizom ein Teil des Sprosssystems mit Verdickungen, aus denen nach oben Triebe und nach unten Wurzeln wachsen. Während das Baummodell eine hierarchische Ordnung vorgibt, lässt das Rhizom Verbindungen aller Art zu. Daraus sind bei Zauner immer schon die wildesten Wortblütenformen erwachsen, die er zu rhythmisch und melodisch anmutigen Konglomeraten komponiert.
Hansjörg Zauners Neigung zu Wortungetümen wie echoeckballendlosschlenderschneise oder wortradierstaubsaugerdoppelwarzenkerzenfinger hat vielleicht noch zugenommen, trotzdem wirkt der Text irgendwie weniger beunruhigend, vielleicht weil Zauner diesmal stärker in der Wortfeldkombinatorik verbleibt und weniger verstörend die gesellschaftliche Realität durchpflügt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2014)

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