„Antigone“ nicht als Pflicht, sondern aus Neigung

Das Schauspielhaus Graz hat ein Pädagogik-Projekt gestartet: „Schauspiel aktiv“ ist bereits überlaufen.

Graz. In Deutschland boomt die Theaterpädagogik, seit dieser Saison hat auch das Schauspielhaus Graz ein Projekt, das in die Welt der Bühne einführt. 700 steirische Schüler haben sich in zwei Monaten für Workshops gemeldet. Betreut wird „Schauspiel aktiv“ von Anja Sczilinski (33). Die Dramaturgin aus Thüringen, die ihr Fach in Berlin und São Paulo lernte, will vor allem jungen Leuten die Theater-Codes verständlich machen, aber man sei für alle offen. Der älteste Teilnehmer ist 75. „Theater soll keine Pflichtveranstaltung in der Schule sein, es ist lebendig und macht Spaß. Man soll einen lustvollen Zugang entdecken.“

Nicht nur das Interesse für Klassiker wie „Antigone“, „Die Nibelungen“ oder „Odyssee“ soll geweckt werden, sondern auch für Zeitgenössisches. „Avancierte Inszenierungsformen, die manchmal schon einem erwachsenen Abonnenten Mühe machen, sind unserer Meinung nach ohne weiteres auch für Schüler lesbar, die reingehen, weil sie einen bestimmten Stoff zu absolvieren haben“, ergänzt Chefdramaturgin Regina Guhl, die zu Beginn der Spielzeit von Direktorin Anna Badora aus Hannover nach Graz geholt wurde. Gearbeitet wird ganz konkret, die Schüler erarbeiten Szenen selbst, man bringt ihnen die Techniken des Spiels auf der Bühne bei. „In Kurzform spielen sie das Stück durch, das sie später als Besucher des Schauspielhauses sehen werden“, sagt Sczilinski, „es ergibt einen ganz anderen Eindruck, wenn man selbst zuvor die Grundzüge einer Figur erarbeitet hat“.

Das Projekt hat auch eine soziale Komponente. Man will an die Ränder der Stadt gehen, um jene Jugendliche zu erreichen, bei denen das Interesse am Theater mit der beginnenden Pubertät zu erlöschen droht. „Ein Kunstinstitut von der Größe des Grazer Schauspielhauses kann es sich gar nicht mehr leisten, ohne inhaltliche Vermittlungsarbeit Jugendliche in sein Haus zu lassen“, meint Guhl. Zwei Lehrer arbeiten halbtags mit, und insgeheim auch die vielen Lehrer, die praktisch bereits auf ihren Schulen Theater machen.

Pro Workshop sind 20 bis 35 Schüler beteiligt. „Wir gehen auch direkt in die Schulen“, sagt Sczilinski, „in der ganzen Steiermark und auch im Südburgenland. Es entwickeln sich inzwischen richtige Partnerschaften mit Schulen. Die wollen oft sofort den nächsten Workshop buchen.“ Fünf Stücke werden derzeit parallel bearbeitet. Die Regisseure zeigen sich kooperativ bis begeistert. Und was liebt die Theaterpädagogin an dieser Arbeit? „Dass sich die Charaktere aus ganz einfachen Dingen entwickeln. Man beginnt zu spielen und plötzlich bemerkt man, dass der ganze Körper zu sprechen beginnt. Da ist so viel Freude. Erst neulich haben alle Schüler in einer Szene zu singen begonnen. Sogar die Lehrer haben mitgemacht.“ norb

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2008)

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