Ich weiß, dass du mehr weißt

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„Bitte sag es nicht weiter“ wird gerne als Freibrief für die ungezügelte Weiterverbreitung aufgefasst.

Menschliche Kommunikation nimmt zeitweise paradoxe Formen an. Hängt man etwa an eine vertrauliche Information den Zusatz „Bitte sag es nicht weiter“, kann man sich fast schon sicher sein, dass dieser Satz als Freibrief für die ungezügelte Weiterverbreitung betrachtet wird. Spätestens in jenem Moment, in dem der Erstverbreiter des Geheimnisses die vermeintlich geheime Information selbst wieder bekommt – „streng vertraulich“, selbstverständlich –, hat sich der Kreislauf der Information wieder geschlossen und die Ursprungsquelle muss davon ausgehen, dass sich unter der vorgehaltenen Hand doch ein Abhörgerät verborgen haben muss.

Angesichts dieses scheinbaren Naturgesetzes vom freien Fluss der Information steckt der Geheimnishüter ein wenig in der Zwickmühle. Verbreitet er die geheime Nachricht weiter, ist die Büchse der Pandora geöffnet und die gesamte Öffentlichkeit sagt artig Danke. Schweigt man hingegen, ist die – doch recht attraktive – Rolle des Wissenden dahin. In der Realität findet sich meist ein Mittelweg, dass nämlich implizit kein Zweifel daran gelassen wird, ein Geheimnis zu haben. Mit wissendem Lächeln, in der Sache jedoch schweigend, sonnt man sich dann in Sprüchen wie „Ich weiß, dass du mehr weißt“ ein wenig. Die etwas plumpere Methode ist die, das Geheimnis verpackt auf den Tisch zu legen – dann aber nicht auszupacken. Die begleitende Phrase dazu lautet dann: „Das darf ich dir nicht sagen!“ Diese Methode des verbalen Coitus Interruptus lässt den Geheimnisträger zwar ebenfalls im Sonnenlicht stehen, birgt jedoch die Gefahr einer zunehmenden Verfinsterung in sich. Bei Gelegenheit kann ich Ihnen gerne noch mehr dazu erzählen. Das bleibt aber unter uns, versprochen?


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2009)

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