Serbien: Trübe Stimmung in Belgrad

A woman walks past a board of a currency exchange office in central Belgrade
A woman walks past a board of a currency exchange office in central Belgrade(c) REUTERS (IVAN MILUTINOVIC)
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Höhere Gas-, Strom- und Telefonrechnungen, verteuerte Kreditraten, erhöhte Alkohol- und Zigarettensteuern – und nun auch noch saftige Preissteigerungen im Nahverkehr.

BELGRAD. Fassungslos begutachtet die weißhaarige Rentnerin im Trolleybus am Belgrader Slavija-Platz den frisch erstandenen Fahrschein. „Die Busse sind uralt – aber die Fahrkarten plötzlich doppelt so teuer“, erregt sie sich über die satte Preiserhöhung von 40 auf 80Dinar (87Cent). Auch der tröstend gemeinte Hinweis eines Mitfahrers, dass wenigstens der Benzinpreis sinke, vermag die Serbin nicht zu beruhigen. Auto fahre sie ohnehin nicht, für sie werde „alles teurer“. „Nur die Rente bleibt gleich.“

Schlechte Nachrichten kommen auch in Serbien selten allein. Höhere Gas-, Strom- und Telefonrechnungen, verteuerte Kreditraten, erhöhte Alkohol- und Zigarettensteuern – und nun auch noch saftige Preissteigerungen im Nahverkehr. Für die meisten der sehr knapp kalkulierenden Haushalte des Landes hat das Jahr schlecht begonnen. Wenigstens eine Branche brummt: Zumindest die Wechselstuben können sich dank heftiger Kursschwankungen über mangelnden Umsatz nicht beklagen. Wochenlang segelte der Dinar auf Tiefflug, verlor seit Sommer ein Viertel des Wertes gegenüber dem Euro. Erst vergangene Woche hat sich Serbiens Währung dank einer Überweisung aus Moskau stabilisiert. Die 400 Mio. Euro, die die russische Gazprom mit etwas Verspätung für die günstig erworbene Mehrheitsbeteiligung an Serbiens Ölkonzern Nis überwies, haben den Dinarkurs merklich gestärkt. Für eine Entwarnung gibt es laut der Zeitung „Blic“ nur wenig Grund: „Sofern nicht bald noch mehr Devisen auf den Markt kommen, wird der Dinar nur zwei Monate stabil bleiben.“

Keine Käufer für Staatsbetriebe

Die Aussichten auf eine neue Welle von Privatisierungs-Einnahmen sind indes bescheiden. Ob bei dem noch zum Verkauf anstehenden Pharmakonzern Galenika, dem Versicherer Dunav, dem Flughafen Belgrad, dem Energieversorger EPS oder der Telekom Srbija: Gute Preise sind selbst für gesunde Unternehmen zu Krisenzeiten kaum zu erzielen.

„Absolut nichts“ sollte dieses oder nächstes Jahr verteuert werden, solange es keine spürbare Besserung auf den Weltwirtschaftsmärkten gebe, empfiehlt Bosko Zivkovic, Mitglied des Wirtschaftsrats der Regierung. Hoch verschuldete Ladenhüter wie die Kupferhütte RTB Bor oder die JAT-Airline, die Belgrad schon mehrmals vergeblich zu verscherbeln suchte, sollen bis auf Weiteres ohnehin im Staatsbesitz bleiben.

Auch die Hoffnung auf verstärkten Kapitalzufluss durch Direktinvestitionen scheint vergeblich. Serbien sei „keine isolierte Insel“ – und die Auswirkungen der globalen Krise seien stets stärker zu spüren, konstatiert Milos Bugarin, der Chef der heimischen Wirtschaftskammer. Wegen der unsicheren Lage warten potenzielle Investoren erst einmal ab. So hat Fiat seine für März geplante 200-Mio.-Euro-Investition in die Zastava-Werke in Kragujevac verschoben. Die zugesagte Fertigung von 15.000 Fahrzeugen der auslaufenden Punto-Serie ist für die beunruhigten Gewerkschaften nur ein schwacher Trost: Schon bisher wurde in Kragujevac der Punto-Klon „Zastava 10“ montiert – allerdings ohne großen Absatzerfolg.

Finanzspritze aus Brüssel

Der Internationale Währungsfonds hat Belgrad bereits einen Kredit von rund 400 Mio. Euro zugesagt. EU-Anwärter Serbien drängt Brüssel zudem auf baldige Freigabe der Vor-Beitritts-Mittel. 120 Mio. Euro sollen schon bald an Südosteuropas Kandidatenländer fließen, so die Hoffnung. Noch hält Belgrad an der Prognose von über drei Prozent Wachstum im laufenden Jahr fest: Vor allem mit verbilligten Unternehmenskrediten hofft Belgrad, die lahmende Wirtschaft wieder anzukurbeln. Doch schon 2008 stieg das Leistungsbilanz-Defizit stark an – und könnte sich bei nachlassender Produktion weiter vergrößern.

„Wir müssen die Krise mit Einigkeit und Solidarität überwinden“, verkündet Premier Mirko Cvetkovic. Doch die Beschwichtigungen der Politiker, die sonst nur mit absurd hohen Spesenabrechnungen und merkwürdigen Gesetzen zugunsten parteinaher Unternehmer für Schlagzeilen sorgen, vermögen die Bevölkerung kaum zu beruhigen: Die Serben bangen laut Umfragen mehrheitlich um ihre Arbeitsplätze.

auf einen Blick

Noch geht Serbiens Regierung von einem Wachstum von über drei Prozent für dieses Jahr aus. Doch auch der prosperierende Balkan-Staat bleibt von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise nicht verschont und hofft auf Millionen aus Brüssel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2009)

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