„Der Chef bin ich“: Die FPÖ als One-Man-Show?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Strache will Asylwerber langfristig in Kasernen unterbringen. Mittel für die Entwicklungshilfe im Ausland könnte man aufstocken. Den Job als Vizebürgermeister in Wien würde er ablehnen: „Das hat keinen Sinn.“

Herr Strache, haben Sie Ihre Partei nicht im Griff?

Heinz-Christian Strache: Doch, absolut.

Warum fallen dann immer wieder Funktionäre mit rassistischen oder beleidigenden Aussagen auf? Der niederösterreichische Abgeordnete Christian Höbart bezeichnete etwa Asylwerber als „Höhlenmenschen“.

Die Aussage ist nicht rassistisch, sondern überspitzt und teilweise unpassend, weil undifferenziert formuliert. Er hat damit jene Menschen gemeint, die mit ihrem unkultivierten Verhalten auffallen. Dass da manchmal die Emotionen übergehen, ist verständlich.

Einen Rücktritt, wie ihn viele fordern, schließen Sie also endgültig aus?

Ja. Ich stehe hinter ihm.

Eine niederösterreichische FPÖ-Stadtparteichefin wurde im stark betrunkenen Zustand gefilmt. Laut Landespartei liegt der Rücktritt hier aber „in ihrer Verantwortung“.

Die Angelegenheit muss die Landesgruppe besprechen. Es macht kein gutes Bild, in so einem Zustand aufzutreten. Aber man muss auch die Ethik der Medien hinterfragen, die den Film veröffentlicht haben.

Über ihren Rücktritt wird gesprochen, Höbart wird hingegen verteidigt. Warum?

Es geht nicht um Verteidigung. Die Person weiß, dass der Vorfall peinlich und unangenehm ist.

Und die Aussagen Höbarts sind nicht auch unter anderem peinlich und unangenehm?

Nein. Man muss infrage stellen, inwieweit man bei uns differenzierte Kritik undifferenziert darstellt. Wenn sich Menschen unkultiviert benehmen, dann sind das unhaltbare Zustände.

Wie differenziert ist es, Asylwerber als „Höhlenmenschen“ zu bezeichnen?

Höbart hat das aufgrund der Vorfälle in Traiskirchen gesagt.

Was ist der Unterschied zwischen diesen Aussagen und jenen von Andreas Mölzer? Er musste im EU-Wahlkampf nach Sagern wie „Negerkonglomerat“ zurücktreten.

Mölzer hat persönlich entschieden, dass er die FPÖ nicht belasten will.

Mölzer hat seinen Rücktritt damit begründet, dass der Rückhalt in der Partei fehlt.

Er hat es gemacht, weil er gemerkt hat, dass seine Aussagen, die von den Medien in ein gewisses Licht gerückt worden sind, der Wahlbewegung schaden.

War der Rücktritt also Wahltaktik?

Sie sollten eine persönliche Entscheidung eines Menschen zur Kenntnis nehmen. Und als Journalistin die Fakten respektieren.

Dann kommen wir doch zu den Fakten. Sie kritisieren immer wieder das derzeitige Asylsystem scharf. Wie sollte es Ihrer Meinung nach organisiert sein?

Wir werden in Österreich wohl kaum die Probleme der gesamten Welt lösen können, sondern man muss sie regional und nachbarschaftlich lösen, da unsere Möglichkeiten der Hilfeleistung beschränkt sind. Man muss sich fragen, inwieweit man bei der Entwicklungshilfe versagt hat. Aber natürlich muss man den Ländern vor Ort helfen.

Soll Österreich den Beitrag für Entwicklungshilfe erhöhen?

Österreich allein wird eine Lösung nicht schaffen. Wir werden das gesamteuropäisch diskutieren müssen.

Österreich kann sich aber beteiligen. Sie schließen eine Aufstockung der Gelder also nicht aus?

Nein, wenn es um nachhaltige, projektbezogene Hilfe geht, nicht.

Kommen wir aber zurück zur Lage in Österreich. Sie fordern eine Höchstgrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Wie soll dies genau organisiert werden?

Alle europäischen Länder müssen Verantwortung tragen. Es kann nicht sein, dass Österreich die höchste Last trägt.

Österreich trägt nicht die höchste Belastung.

Österreich trägt die dritthöchste Belastung in der EU, nach Schweden und Malta.

Eben. Aber zurück zur Höchstgrenze: Soll dies eine fixe Zahl sein?

Ja. Die muss man genau definieren.

Das verstößt aber gegen die Erklärung der Menschenrechte der UNO. Jeder hat das Recht, um Asyl anzusuchen bzw. unter bestimmten Bedingungen zu bekommen.

Dann sollte man das überdenken. Kontinentale Probleme müssen auf dem jeweiligen Kontinent gelöst werden.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will Quoten für Gemeinden, um die Asylwerber gerecht zu verteilen und das überfüllte Erstaufnahmezentrum Traiskirchen zu entlasten. Wäre das für Sie vorstellbar?

Man kann nicht abseits der Demokratie agieren und den Gemeinden etwas aufzwingen. Das lehnen die Menschen ab.

Wie soll das Problem in Traiskirchen dann gelöst werden?

Ich kann nicht nachvollziehen, dass man Grundwehrdienern Bundesheerkasernen zumutet und Asylwerbern nicht. Nach sechs bis acht Monaten sind die meisten Asylverfahren abgeschlossen. So lang ist es zumutbar, in einem geschlossenen Bereich zu verbringen.

Sie wollen Kasernen als Dauerunterkunft?

Ja, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist. In Wohnquartieren sind Massenlager unsinnig. Aber in einer Kaserne, in einem geschlossenen Raum, würde es gehen.

Die Asylwerber sollen dort ausharren, bis das Verfahren abgeschlossen ist?

Natürlich müssen sie Sport- und Freizeitmöglichkeiten haben und auch zum Beispiel im Küchenbetrieb mitarbeiten.

Viele Organisationen kritisieren solche Massenlager. Außerdem gibt es nicht so viele leer stehende Kasernen.

Es gibt sehr viele Kasernen, die man gerade verkaufen will.

Ja, als Sparmaßnahme.

Das ist sicher kostengünstiger als teure Hotels, die für die Flüchtlingsunterbringung gekauft werden.

Hotels werden ja nicht immer gekauft.

Nein, aber es werden teure Unterbringungskosten gezahlt.

Der Betreiber bekommt 19 Euro pro Mensch und Tag für Verpflegung und Unterkunft. Ist das viel?

Die Gesamtkosten sind wesentlich höher.

Warum?

Da häufen sich mehrere Kosten.

Man hat oft das Gefühl, dass Sie auf das Thema Asyl setzen, um Stimmen zu lukrieren. Konkrete und umsetzbare Ideen in anderen Bereichen vermisst man aber.

Nein. 90 Prozent der Asylwerber kommen zu uns aus sicheren Drittstaaten. Wenn ich in der Regierung wäre, würde ich schauen, dass diese Personen nach der Dublin-II-Verordnung in diese Länder zurückgeschoben werden.

Jetzt sind wir aber wieder beim Thema Asyl gelandet. Welches Ziel haben Sie eigentlich für die Wien-Wahl?

Ich werde als Bürgermeister-Kandidat ins Rennen gehen. Die Wiener werden möglicherweise das letzte Mal die Möglichkeit haben, diese Chance zu nutzen.

Was heißt das?

Ich kann nicht sagen, was in fünf Jahren ist – da kann sich auch auf Bundesebene vieles verändert haben. Jetzt würde ich aber gern als Wiener Bürgermeister die Verantwortung übernehmen.

Würden Sie auch die Verantwortung als Vizebürgermeister übernehmen?

Das hat keinen Sinn. Mich gibt es nur als Bürgermeister. Als Vizebürgermeister kommen andere Personen aus der FPÖ infrage.

Warum?

Ich habe den Anspruch, etwas in Wien zu verbessern.

Sie ziehen also in den Wahlkampf, aber wenn Sie nicht kriegen, was sie wollen, bleiben Sie lieber im Parlament?

Es hat ja nur Sinn als Bürgermeister. Da hat man die Kraft, etwa zu verändern.

Und wer übernimmt dann die Arbeit, die wenig Sinn hat?

Wenig Sinn hat der Vizebürgermeister natürlich nicht, er verfügt aber nicht über die Durchsetzungskraft und die Gestaltungsmöglichkeiten des Bürgermeisters.

Ist es nicht vielmehr so, dass es nicht genügend Personal gibt? Ist die FPÖ eine One-Man-Show?

Nein. Ich stelle mich zur Wahl, weil ich zeigen will, wie man die Stadt verändern kann.

Sie sagen aber immer „ich“. Sie sagen nie „die FPÖ“.

Na sicher „ich“. Ich bin ja auch der FPÖ-Wien-Chef. Ich habe ein exzellentes Team. Aber es ist wie in einer Firma: Der Chef bin ich. Und der hat seine Mannschaft.

Steckbrief

1969
wurde Heinz-Christian Strache in Wien geboren. Er machte eine Ausbildung zum Zahntechniker und war bis zum Jahr 2000 auch selbstständig in diesem Bereich tätig.

1991
wurde Strache im Alter von 21 Jahren der jüngste Bezirksrat Wiens. Seit 2004 ist er Landesparteiobmann der FPÖ Wien.

Seit 2005
ist Strache Chef der Bundes-FPÖ. Nach der Nationalratswahl im Jahr 2006 zog er in den Nationalrat ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2014)

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