Soziale Medien: „Sei du selbst, aber nicht zu viel!“

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Forscher untersuchten das Verhalten von Jugendlichen im Internet und kamen zu der Erkenntnis, dass Selbstdarstellung und Realität oft weit auseinanderklaffen.

Das Titelzitat ist der wichtigste Tipp im Unterrichtsmaterial „Selbstdarstellung von Mädchen und Burschen im Internet“. Andere Tipps konzentrieren sich auf Aufklärung. So sollen an Schulen Workshops zum Umgang mit Facebook angeboten werden, „eventuell in Kombination mit vorangehenden Facebook-Freundschaftsanfragen oder Stalking-Aktivitäten von Fakeprofilen, um den Schülerinnen und Schülern die Gefahren an der eigenen Person aufzuzeigen“.

Facebook wird empfohlen, das eigene System stärker zu zensurieren. Die Tipps stammen von Jugendlichen, so ist der leise Mangel an Realitätssinn verständlich. Das Material entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie geförderten Forschungsprojekts „imaGE 2.0“, das vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und vom Büro für nachhaltige Kompetenz (B-NK) durchgeführt wurde. Die Aufgabe des Teams um Bente Knoll war, „das soziale Handeln der Jugendlichen im Internet und dessen Bedeutung für den Alltag verstehen zu lernen“. Dass bestimmte Verhaltensweisen auch nach der Lektüre der 73 Seiten starken Studie nicht ganz verständlich werden, dürfte an der Kluft zwischen jugendlichem Verhalten und wissenschaftlichen Methoden liegen. Diese ließ sich auch durch „qualitative Gruppendiskussionen“ mit 46 Schülern beiderlei Geschlechts zwischen 14 und 17 nicht ganz überbrücken.

Suche nach Bestätigung

Die Selbstdarstellung im Netz, so die Studienautoren, sei für die Jugendlichen „auch immer eine Suche nach Bestätigung“. Likes und positive Kommentare dienen als Gradmesser für die eigene Beliebtheit. „Wer viel Bestätigung erhält, fühlt sich besser als andere.“ Und umgekehrt: „Postings, die kaum Bestätigung erhalten, setzen die Jugendlichen stark unter Druck.“ Sonja Schwarz vom ÖIAT: „Die Jugendlichen bewegen sich in einem permanenten Spannungsfeld zwischen Authentizität und Inszenierung.“

Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, YouTube oder WhatsApp sind der Tummelplatz der „Rosa-Färber“: Um der „Happy-Gesellschaft“ zu genügen, werde in Facebook beispielsweise Traurigkeit oft bewusst unterdrückt. Doch Bente Knoll verweist auf einen gravierenden Unterschied zwischen den Geschlechtern: „Burschen scheinen deutlich weniger Handlungsrepertoires zu haben als Mädchen, vor allem, wenn es um das Ausdrücken trauriger Gemütslagen geht.“ Für die künftigen Männer sei es „ziemlich uncool, online negative Gefühle anzusprechen oder gar Zuspruch dafür zu erwarten“.

Auch sonst dominieren Rollenbilder, die „oft nur so vor traditionellen Geschlechterklischees strotzen“. Besonders gestrig erscheint der Umgang mit freizügigen Bildern, die „weitgehend ein weiblich konnotiertes Problem“ seien: „Die Erkenntnis ist, dass der männliche Körper bei den Schülerinnen und Schülern einer Leistungsbewertung unterzogen wird und weniger sexuellen Restriktionen unterliegt als der weibliche Körper.“

Abgrenzung von den Eltern

Eine andere Erkenntnis ist: Jugendliche verstehen unter Schutz der Privatsphäre etwas anderes als Erwachsene: statt Abgrenzung von Beruf und Privatleben eher Abgrenzung von den Eltern. Privatsphäre bedeute, „Geheimnisse haben zu dürfen und selbst darüber bestimmen zu können, ob und mit wem diese geteilt werden“.

An den Einstellungen zur Privatsphäre seien die Jugendlichen kaum interessiert, schreiben die Studienautoren und definieren ein „Privacy Paradoxe“: „Jugendliche sprechen anders über ihr Handeln auf Facebook als dies in der Realität geschieht.“ Die meisten der von ihnen selbst genannten Vorsichtsmaßnahmen „werden in der eigenen Praxis – wissentlich – ignoriert“. [ Fotolia ]

LEXIKON

Facebook bezieht sich auf die Facebooks („Jahrbücher“) mit Studentenfotos an US-Colleges.

Instagram ist eine App, mit der Fotos und Videos erstellt und durch Filter verfremdet werden. 2012 von Facebook übernommen.

WhatsApp ist ein Messaging-Dienst, der im Gegensatz zu SMS Internet statt Handynetz nutzt. Wurde heuer von Facebook gekauft.

YouTube. Videoportal von Google, das Film- und TV-Ausschnitte, Musikvideos und selbst gedrehte Filme von Amateuren enthält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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