Brandheiss und höchst persönlich

»Ich habe eine Zwei«, sagt Hannah. »Das schmeckt aber lecker«, sagt Marlene. Über die Jugend von heute, die immer häufiger piefkinesisch spricht.

Es hat langsam begonnen. Anfangs klang das, was die Kinder so von sich gaben, nur sehr deutsch. „Komisch“, sagten unsere Gäste: „Woher haben die das nur? Ihr redet doch ganz normal!“ Das heißt, genau genommen sagten sie: „Wo habn die des nua hea?“ Denn so spricht man hier. Hier ist Wien, wo die Steirer und die Tiroler und all die anderen Zugereisten wohnen, also zum Beispiel wir.

So richtig beantworten konnten wir die Frage damals nicht. Wir vermuteten, es liege daran, dass mein Mann und ich den Wiener Dialekt höchst unzulänglich beherrschen, ja tatsächlich sage ich immer noch „Tomate“, wie das im Westen Österreichs üblich ist. Wir verdächtigten auch die Benjamin-Blümchen-Kassetten und Bibi-Blocksberg-CDs („Guck mal, da ist Bibi!“). Das Fernsehen, natürlich. Und vermutlich war außerdem die Schule schuld.

Je älter die Kinder wurden, desto mehr setzten sich die deutschen Begriffe in unserem Alltag durch: „Lecker“, sagt heute Marlene, wenn ihr das Risotto schmeckte. Hannah kommt nicht mehr mit einem Zweier nach Hause oder einem Fleck, sondern mit einer Zwei oder einer Fünf. Und ihre Freunde genauso! Denn so wie Hannah und Marlene sprechen – massiver Gebrauch des Präteritums inklusive –, so sprechen auch ihre Freunde, die Lauras und die Lenas, die Lukasse und die Georgs, und neulich ist einem Mädchen, das bei uns zu Besuch war, sogar ein „haste“ entschlüpft. Die war aus Mödling! Und das war nicht mehr nur deutsches Deutsch, das war schon Piefkinesisch!


Es ist YouTube. Das Gute: Jetzt glaube ich zu wissen, woher das kommt, und ich bin nicht schuld. Die Lehrer übrigens auch nicht, die wissen nämlich noch, was ein Stanitzel ist. Nein, die Art, wie die Kinder sprechen, kommt von YouTube, von dem nur mehr über 30-Jährige glauben, es bestehe aus Musikvideos und Katzen-Hoppalas. Für die Jugendlichen ist YouTube der Ort, an dem sie sich informieren, unterhalten und sich anhören, was andere Jugendliche so zu sagen haben, Jugendliche, deren Kanäle so viele Abonnenten haben, dass sie Geld dafür bekommen, wenn sie sie sich dabei filmen, wie sie auf ihren Longboards durch Deutschland skaten und dabei unausgesetzt quasseln.

Entschuldigung. Wie sagt man da auf Österreichisch? Palavern.

Jetzt kann man darüber entsetzt sein. Aber Sprache wandelt sich eben, und man gewöhnt sich daran. Und haben Jugendliche Sprache nicht immer immer gerne genutzt, um sich von den „Alten“ abzugrenzen? Hannah sieht das Ganze nüchtern. Sie betrachte, erklärt sie, das Österreichische keineswegs als minderwertig. Allerdings zeuge es von einem Minderwertigkeitskomplex, wenn man wegen einem „lecker“ so einen Aufstand macht.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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