Turbulenzen in der SPÖ wegen Verzichts auf die Reichensteuer

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Die Aufgabe der Einführung der Millionärssteuer bringt Faymann unter Druck, die Gewerkschaft murrt.

Wien. Verblüffung, Kopfschütteln, Verärgerung, kaum verhohlene Drohungen in Richtung von Bundeskanzler SPÖ-Chef Werner Faymann und Wiens SPÖ-Chef, Bürgermeister Michael Häupl, im Hinblick auf den Abschluss der Steuerreform. Selten waren selbst hochrangige SPÖ-Politiker von einer Kurskorrektur so überrumpelt worden, wie am Freitag vom Schwenk der SPÖ-Spitze weg von der jahrelang verlangten Millionärs- oder Reichensteuer hin zum Kompromissangebot der Kanzlerpartei in Form einer Vermögenszuwachssteuer.

Nachdem Häupl, einer der SPÖ-Steuerverhandler, mit der Botschaft, es gehe nur mehr um eine Vermögenszuwachssteuer vorgeprescht war, bestätigte Bundeskanzler SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann der „Presse“ diese Linie: „Wir sind zu Kompromissen bereit, jetzt warten wir auf Vorschläge der ÖVP“, ließ er ausrichten.

Die SPÖ-Führung schwenkt damit vor den Steuerreformverhandlungen mit der ÖVP heute, Samstag, auf eine Linie ein, die Bundespräsident Heinz Fischer schon bei seiner heurigen Neujahrsansprache vorgezeichnet hat. Dieser hatte sich in seiner ORF-Ansprache am 1.Jänner ausdrücklich für eine Besteuerung von Einkommens- und Vermögenszuwächsen ausgesprochen.

Faymann war noch am vergangenen Sonntag im ORF und in Interviews in Boulevardmedien am Montag für Vermögensteuern eingetreten, die von der ÖVP mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner vehement abgelehnt werden. Häupl verkündete nun via „Standard“ das Einlenken in Richtung ÖVP: „Wenn man genau hinhört, sprechen alle von ,keine Vermögenssubstanzbesteuerung‘. Das ist ein Wegweiser, der zeigt, wohin es gehen kann.“

„Mehr in der Geldbörse“

Faymann stellte sich im Lauf des Freitagvormittags hinter diese Linie, um eine Einigung über eine Steuerreform bis zum 17.März zu retten: „Wir wollen ein Ergebnis, nämlich dass den Menschen mehr Netto vom Brutto bleibt, und dafür sind wir auch bereit, Kompromisse einzugehen.“ Und weiter: „Vertrauen in die Politik steigt, wenn Menschen sehen, dass Wahlversprechen gehalten werden: Es bleibt unter dem Strich mehr in der Geldbörse.“

Gegen Parteitagsbeschluss

Allerdings ist erst beim SPÖ-Bundesparteitag Ende November 2014 beschlossen worden, die SPÖ setze sich für die Umsetzung des ÖGB-Modells zur Steuersenkung ein, das Vermögensteuern und die Wiedereinführung von Erbschafts- und Schenkungssteuern vorsieht. Zur nachhaltigen Sanierung der öffentlichen Finanzen sei eine „gerechte Gegenfinanzierung“ nötig: Ausdrücklich genannt werden dann eine Erbschafts- und Schenkungssteuer ab einer Million Euro sowie „eine Millionärsabgabe mit einem Freibetrag von einer Million Euro“.

Selbst die SPÖ-Zentrale war offenbar von Häupl überrascht worden. Weil SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos am Donnerstagabend bekräftigt hatte, die SPÖ stehe nach wie vor hinter einer Millionärssteuer, betonte daraufhin Häupl in der Austria Presse Agentur, er trete für Steuern auf Vermögenszuwächse ein. Aber, wenn dies Darabos „gern hören will“: „Selbstverständlich bin ich für die Millionärssteuer, aber schön langsam werden wir halt sagen müssen, was das ist.“

Während sich Häupl über Darabos lustig machte, geht anderen in der SPÖ die Abkehr von Reichensteuern gegen den Strich – nicht nur der Sozialistischen Jugend. ÖGB-Präsident Erich Foglar machte aus seinem Ärger, aus den Medien informiert zu werden, kein Hehl. Er sieht „keinen Grund“, vom ÖGB-Steuerkonzept abzuweichen. Die gemeinsame Formel, auf die sich Gewerkschafter und Teile der SPÖ verständigten, klang wie eine Drohung gegenüber Faymann: Es müsse mehr Netto vom Bruttolohn bleiben, und die Arbeitnehmer dürften sich eine Entlastung nicht selbst zahlen. Wie das ohne Vermögensteuern und ohne strikt abgelehnte Einschnitte in Sozialleistungen gehen soll, wurde in ÖGB-Kreisen gerätselt. Der steirische Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ), einer der ersten Befürworter von Vermögensteuern, ließ der „Presse“ ausrichten, er beurteile erst das Gesamtpaket zur Steuerreform. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2015)

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