Hatte Goethe Schillers Totenkopf am Schreibtisch?

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Themenbild(c) Clemens Fabry - Die Presse
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Die Gerichtsmedizin Innsbruck lüftete durch eine DNA-Analyse das Geheimnis um Friedrich Schillers Totenkopf.

„Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute/Wie Schädel Schädeln angeordnet passten [...] Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen/Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten.“ So beginnt Goethes Terzinen-Gedicht von 1826. Um sich zu inspirieren, platzierte Goethe einen Schädel auf seinem Schreibtisch. Er glaubte, dass es sich um den des Dichters Friedrich Schiller handelte. Doch Experten zweifelten 180 Jahre lang an der Echtheit des Schädels.

Erst Walther Parson, Leiter der forensischen Molekularbiologie am Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck, lüftete 2006 das Geheimnis um Schillers Schädel. Die Klassikstiftung in Weimar hatte ihn um Aufklärung gebeten.

Sein oder Nichtsein des Dichterkopfes

Das Kassengewölbe, ein Mausoleum am ältesten Friedhof in Weimar, musste 1826 neu gebaut werden, weil es zu klein wurde: „Das Mausoleum bot 20 Skeletten Platz, über 60 fanden dort aber ihre letzte Ruhestätte“, sagt Walther Parson. Schiller wurde als 53. Toter im Mausoleum begraben. „1826 verlief die Spurensuche nicht mit modernen forensischen Mitteln“, erklärte Parson in dieser Woche bei einer Veranstaltung des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF in Wien. Damals stellten Bergungstrupps die Gruft komplett auf den Kopf. Goethe ließ sich über 20 Schädel in sein Zimmer tragen. Dort untersuchten Schillers Zeitgenossen die Köpfe und bestimmten schließlich, welcher dem Dichter gehörte. Goethe behielt den Schädel und ließ ihn als Inspirationsquelle ein Jahr lang auf seinem Schreibtisch stehen.

Aber schon damals wurde an der Authentizität des Schädels gezweifelt. Denn geborgen wurden unzählige menschliche Überreste. Schiller musste aus tausenden Knochen ausgesondert werden. Die Zuordnung erfolgte eher willkürlich.

Zwei Schillerskelette ausgestellt

Auch der Mediziner August von Froriep zweifelte an der Echtheit des Schädels. Er nahm daher 1911 selbst Grabungen vor, die ein weiteres Schillerskelett zum Vorschein brachten. Das Ergebnis: Die Klassikstiftung in Weimar präsentierte ihren Besuchern von da an zwei Schillerskelette.

„Der Streit um diese Skelette brach nie ab, daher beauftragte uns die Klassikstiftung mit einer DNA-Analyse“, sagt Parson. Dabei stellte sich heraus, dass keines von beiden Skeletten Schiller ist. „Nun stellt die Klassikstiftung kein Skelett mehr aus, hat aber die Wahrheit gefunden“, sagt Parson.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2015)

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