Pensionssystem abgekoppelt vom Staatshaushalt

(c) Clemens Fabry
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In dem skandinavischen Staat wurden Renten künftiger Generationen gesenkt, gelten jetzt aber als gesichert.

Stockholm. Das Rentensystem Schwedens wurde 1999 radikal vom damaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, Göran Persson, und den bürgerlichen Oppositionsparteien zusammenreformiert. Das alte, großzügige, auf geringe soziale Unterschiede im Alter Wert legende System galt im Rückblick auf die Veralterung der Gesellschaft und die tiefe Wirtschaftskrise der Neunzigerjahre als zu teuer. „Mit der Reform wurde das Rentenniveau von einst rund 60 auf 50 Prozent abgesenkt. Wer mehr haben will, muss heute länger arbeiten“, sagt Ole Settergren, Chefanalytiker der Rentenbehörde der „Presse“.

Kostenbremsen wurden bei der einkommensabhängigen Rente an mehreren Stellen platziert. Die Höhe berechnet sich, statt wie früher aus den 15 besten Einkommensjahren, aus allen Lebenseinkommensjahren. Wie viel Rente Arbeitnehmer einmal im Ruhestand durch ihre Einzahlungen in das Umlageverfahren bekommen werden, weiß jedoch niemand. Denn ein Rentenniveau wird nicht mehr garantiert. Es kann auch unter 50Prozent fallen. Im neuen System reguliert stattdessen eine komplizierte Formel ohne unliebsame politische Beschlüsse die Auszahlungen. Rentenbezüge werden automatisch gekürzt, wenn die konjunkturelle Entwicklung Schwedens sich verschlechtert.

Dafür werden sowohl Einkommensentwicklung als auch das Beschäftigungsniveau Schwedens jedes Jahr betrachtet und die gegenwärtigen Rentenzahlungen entsprechend gesenkt oder erhöht. Auch die allgemeine Lebenserwartung wird einmal, und zwar zum Renteneintritt einer Person, berücksichtigt. Wenn sie steigt, sinkt die Rentenauszahlung. „In Schweden muss nach der Reform länger gearbeitet werden, wenn man auf eine ähnliche Rente wie beim alten System kommen möchte,“, sagt Rentenexperte Settergren.

Bonus bei längerer Arbeit

Neben den Kostenbremsen wurde ein gleitendes Renteneintrittsalter eingeführt, damit Menschen länger als bis 65 arbeiten. Der Renteneintritt ist ab 61 möglich, dann aber mit kräftigem Abschlag. Gesetzlich darf bis 67 gearbeitet werden, danach ist die Einwilligung des Arbeitgebers erforderlich. Jedes extra Arbeitsjahr bringt laut Rentenbehörde zwischen sieben und acht Prozent mehr Rente auf die Rente mit 61.

All das hat bislang dennoch nicht verhindert, dass die Einnahmen seit dem Krisenjahr 2009 stets geringer waren als die Ausgaben für Renten. Das teuere alte Penionssystem wird nur schrittweise durch das erst 1999 eingeführte System ersetzt. Die neuen Kostenbremsen haben noch nicht voll durchgeschlagen.

Allerdings verfügt Schweden seit den Sechzigerjahren über einen großen Rentenpufferfond, der zu 50Prozent in Aktien und zu 45 Prozent in Obligationen außerhalb Schwedens angelegt ist. Darin befinden sich derzeit rund 1150 Milliarden Kronen (122,9 Mrd. Euro), aus denen die Defizite ausgeglichen werden. Der Staatshaushalt bleibt verschont. Das Defizit betrug 2009 bis 2014 jährlich umgerechnet rund zwei Milliarden Euro. „Das hatten wir aber bereits bei der Reform 1999 so angenommen. Ein Defizit wird es laut unseren Berechnungen noch mindestens bis 2040 oder 2045 geben“, sagt Settergren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2015)

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