Seeschlacht Gallipoli: Ein Minenleger "verändert die Welt"

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Die "Irresistible" sinkt.(c) Wikimedia Commons
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Als britischer Premierminister während des Zweiten Weltkriegs wurde Winston Churchill berühmt. In Gallipoli erlitt er 1915 eine bittere Niederlage.

Am 18. März 1915 beginnt der alliierte Großangriff zum Durchbruch durch die Dardanellen gegen das Osmanische Reich, das vom Deutschen Kaiserreich und Österreich-Ungarn unterstützt wird. Die umkämpfte türkische Halbinsel Gallipoli an der Südöffnung der Meerenge wird zum amphibischen Schlachtfeld. Ziel der Briten und Franzosen ist es, Nachschubwege für die verbündeten Russen durch das Schwarze Meer zu schaffen, auf die osmanische Hauptstadt Konstantinopel (Istanbul) vorzurücken und so die militärisch wie wirtschaftlich schwachen Türken eventuell gleich ganz aus dem Krieg zu nehmen. Marineminister Winston Churchill geht von einem "zweifellos hohen Preis" für die Operation aus, doch würde "das Ende der türkischen Bedrohung" winken.

Zehn große Kriegsschiffe feuern aus allen Rohren und nähern sich dem Eingang der Dardanellen. Begleitet werden sie von vielen Torpedobooten und Minensuchern. Sechs große britische Schlachtschiffe nehmen die osmanischen Verteidigungsanlagen unter Beschuss. Nur langsam arbeiten sich die alliierten Schlachtschiffe vor. Doch was dann geschieht, zählt wohl zu den bittersten Momenten des verantwortlichen britischen Marineministers Churchill, der über zwei Jahrzehnte später Großbritannien durch den Zweiten Weltkrieg führen sollte. Denn die osmanischen Soldaten erweisen sich als zielgenauer, als das die Alliierten für möglich gehalten haben. "Eure Mütter haben euch nur für diesen Tag geboren", soll ein türkischer Offizier seine Soldaten angespornt haben, wie "Spiegel Online" schreibt. Den Feinden drohte er an, dass das Meer ihr Grab werde.

Die Stunde des kleinen Minenlegers Nusret

Dann schlägt vor allem die große Stunde des kleinen türkischen Minenlegers Nusret: Zuerst läuft gegen 14 Uhr das französische Schlachtschiff Bouvet auf eine Mine. Innerhalb von nur zwei Minuten kentert das Schiff und reißt fast die gesamte Besatzung von 600 Mann mit in die Tiefe. Auch die anderen französischen Schiffe werden teilweise schwer beschädigt. Um 16 Uhr läuft der britische Schlachtkreuzer Inflexible auf eine Mine und kann nur knapp aus der Reichweite der Küstenartillerie entkommen. Doch damit ist es nicht geschehen: Kurz darauf wird das Schlachtschiff Irresistible getroffen. Als es abdreht und in die Bucht von Erenköy einfährt, um zu wenden, fährt es ebenfalls - wie von den Osmanen vorhergesehen - auf eine Mine und sinkt. Beim Versuch, die Irresistible in Schlepptau zu nehmen, läuft auch die HMS Ocean auf eine Mine und muss ebenfalls aufgegeben werden.

"Die Presse" schrieb am 17.3.1915

"Wir beglückwünschen die türkischen Soldaten, die Tag und Nacht an den Geschützen standen, im Hagel der Geschosse ausharrten und zur Verteidigung des Vaterlands nicht einen Fuß breit zurückwichen, zu ihrer Leistung."

Siehe: Heute vor...

Möglich wurde der 18. März, weil der Minenleger Nusret am 8. März von den alliierten Kräften unentdeckt eine Reihe von 26 aus Deutschland gelieferten Minen auslegen konnte. Die Alliierten gingen offenbar von dem Irrglauben aus, die Stelle sei geräumt worden. Der deutsche Admiral Souchon schreibt über den Tag: "Hoffentlich kommen die Engländer heute noch mal und erleiden wieder solche Verluste."

Gallipoli und die Mythen

Als Folge bläst der britische Kriegsrat die Angriffe ab. Man gelangt zur Ansicht, nur durch Landstreitkräfte zum Erfolg zu kommen. Am 25. April 1915 beginnt daher die Invasion an Land - dabei kommen auch erstmals australische und neuseeländische Soldaten militärisch eigenständig zum Einsatz. Es wird die Geburtsstunde eines Mythos, den die Australier und Neuseeländer bis heute jeden 25. April am sogenannten ANZAC-Day (Australia and New Zealand Army Corps) feiern. Gallipoli gilt als die Feuertaufe des jungen Staates Australien, der sich erst 1901 aus den einzelnen Kolonien wie Victoria und New South Wales zu einem Bundesstaat im Commonwealth formiert hatte. Dass die Schlacht für die Australier desaströs verlief und in einem Osmanischen Sieg endete, ändert daran nichts, ja betont wohl erst recht diesen "Mythos Gallipolli".

Übrigens wird ANZAC-Day auch in einigen kleinen südpazifischen Staaten gefeiert, etwa auf Tonga, den Cookinseln und Papua-Neuguinea, die damals von Australien oder Neuseeland kontrolliert wurden und ebenfalls in kleinem Umfang Truppen für Gallipolli stellten.  

Die erfolgreich abgewehrte Invasion wird vor allem dem osmanischen Offizier Mustafa Kemal Pascha zu Ruhm verhelfen. "Ich befehle euch nicht, anzugreifen, ich befehle euch zu sterben", lautet sein berühmt-berüchtigter Befehl. Pascha, heute besser bekannt als Atatürk ("Vater der Türken"), wird später der Gründer und erste Präsident der modernen Türkei. In der Türkei wird der 18. März 1915 noch heute jedes Jahr als "Çanakkale-Tag" gefeiert, benannt nach einem Ort und einer Provinz an den Dardanellen.

Churchills Waterloo

Winston Churchill in Siegerpose.
Winston Churchill in Siegerpose.(c) EPA

Winston Churchill, der vehement für den Dardanellen-Vorstoß eingetreten war, muss schon im Mai 1915 sein Amt räumen. Man kann von seinem persönlichen Waterloo sprechen. Später schreibt er davon, dass "die Nusret die Welt verändert hat", da durch diese Minen der Traum zerbrach, die Hauptstadt des Osmanischen Reichs zu erreichen.

>>> Zum "Spiegel Online"-Bericht

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