Joe Kalina und die rote Tupperparty

Josef Kalina
Josef KalinaDie Presse
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Der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina ist heute ein erfolgreicher PR-Berater. Das verdankt er vor allem seinem politischen Netzwerk. Er hat es verstanden, Sozialismus und Kapitalismus zu verbinden.

Es gibt ein Leben nach der Politik, manchmal schon unmittelbar danach. Nachdem Josef Kalina im Juni 2008 seinen Job als Bundesgeschäftsführer der SPÖ verloren hatte, klopften die Größen des PR-Betriebs nacheinander bei ihm an. Auch der Branchenprimus klopfte. Peter Hochegger wollte Kalina für sein Advisory Board gewinnen, dem Leute wie Ernst Strasser angehörten, und lockte ihn mit einer ansehnlichen Summe. Doch Kalina schlug das Angebot aus.

Rückblickend war das die richtige Entscheidung. Nicht nur, weil Hochegger heute ein Fall für die Justiz ist. Sondern auch, weil Josef Kalina, den alle nur Joe nennen, den Umstieg vom Sozialismus in den Kapitalismus allein geschafft hat. In Wahrheit hat er beide Systeme miteinander verbunden und dabei ziemlich gut verdient. Im Jahr 2013 machte seine Agentur, Unique Relations, einen Nettohonorarumsatz von 1,25 Millionen Euro. Im PR-Ranking des Branchenmagazins „Extradienst“ landete er damit auf Platz zehn. Seither kamen laufend Kunden hinzu.

Kalina, einst Sprecher von Bundeskanzler Viktor Klima und später Redakteur der „Kronen Zeitung“, lebt von zwei Dingen. Seinem Talent zum Verkaufen. Und seinem Netzwerk. In der SPÖ hat er einst viele Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen. Das kommt ihm nun beim Geschäftemachen zugute. „Das Leben“, sagt Joe Kalina, „ist eine Tupperware-Party.“

Das Konzept der Tupperware-Party sieht vor, persönliche Beziehungen zu nutzen, um neue Kunden zu gewinnen. Doch zuletzt hat Kalina einen Tick zu wild gefeiert. Vergangenen Sonntag vertwitterte der 57-Jährige eine Umfrage von Unique Research, einem Marktforschungsinstitut, das er vor einem Jahr mit dem Meinungsforscher Peter Hajek gegründet hatte. Zu den Auftraggebern zählen „Profil“, „Heute“ und die „Kronen Zeitung“. „Unsere aktuelle Umfrage für ,Krone‘: Häupls Gemeindebaucoup geht voll auf!“, schrieb Kalina.

Die Branche reagierte mit Unverständnis: Ob er es denn nicht für unvereinbar halte, den Wiener Bürgermeister im Wahlkampf zu beraten und gleichzeitig Umfragen für die Wien-Wahl zu machen? Kalina versuchte, das Missverständnis aufzuklären. Die Wiener SPÖ habe nicht die PR-Agentur Unique Relations, sondern die Werbeagentur Unique für den Wahlkampf engagiert.

Wobei die Sache etwas kompliziert ist: Unique Relations hat Kalina 2008 mit Jürgen Colombini und Robert Judtmann, den Eigentümern der Unique Werbeagentur (die es bereits seit 1990 gibt), gegründet. Die beiden halten heute noch 25 Prozent an der PR-Firma. Außerdem teilt man sich das Büro in der Schönbrunner Straße, einige Arbeitskräfte und das Corporate Design.

Geschichtenerzähler. Ein Mitbewerber, der ihn seit Jahren kennt und schätzt, kann sich „beim besten Willen nicht vorstellen“, dass Kalina, der zwischen 1995 und 1997 Michael Häupls Pressechef war, seine Finger hier nicht im Spiel hatte. Oder hat. „Ohne ihn hätte Unique den Auftrag nie bekommen.“

Kalina selbst schwört Stein und Bein, dass er kein Mandat Häupls habe. Die Werbeagentur habe sich gegen sieben Konkurrenten durchgesetzt. Außerdem gehe es hier um klassische Werbung: „Das ist nicht mein Geschäft.“

Kalinas Geschäft sind Strategie und Spin. Er weiß, wie man Menschen überzeugt. „Ich erzähle Geschichten“, sagt er. Geschichten, die der Sache dienen. Also seinem Kunden nützen. Viele ehemalige Parteifreunde wissen diese Begabung zu schätzen. Kalina ist strategischer Berater von Gewerkschaftsbund-Präsident Erich Foglar. Die „Lohnsteuer runter“-Kampagne hat er mitkonzipiert. Er organisierte die Kampagne für Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske. Und auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer zählt zu seinen Kunden.

Ob es redlich sei, alte Verbindungen zu nützen, um an öffentliche Aufträge zu kommen? Er sehe daran nichts Anstößiges, er nehme – wie die meisten anderen Agenturen auch – an allen Ausschreibungen teil, sagt Kalina. Zehn feste Mitarbeiter wollen beschäftigt werden. „Außerdem musste ich im Falle des Sozialministeriums mit dem Preis runter. Und zwar deutlich runter.“

Für Jobs im halböffentlichen Bereich gilt das nicht unbedingt. Kalina arbeitet für den Wiener Krankenanstaltenverbund, die Wiener Stadtwerke (für den Garagenbetreiber Wipark), für die Austro Control, den City Airport Train und die Energie Burgenland AG. Dem kanadischen Straßenbahn-Produzenten Bombardier verhalf er zu einem Großauftrag der Wiener Linien.

„Natürlich profitiere ich von den alten Kontakten, deshalb werde ich ja manchmal auch engagiert“, sagt Kalina. Aber er sei nicht mehr davon abhängig. „Mindestens 80 Prozent“ seiner Kunden kämen mittlerweile aus der Privatwirtschaft, darunter namhafte Unternehmern wie Visa, Roche und Danone.

Auch für die Botschaft von Kasachstan ist er tätig. Nein, nicht im Fall des kasachischen Botschafters Rachat Alijew, der sich Ende Februar in der österreichischen U-Haft erhängt hat. Sein Team unterstütze ausschließlich die Medienarbeit der Botschaft, versichert Kalina. „Da geht es um wirtschaftliche Beziehungen, um Kultur, Tourismus.“

Die Branchenmeinung über Kalina ist, über einstige Parteigrenzen hinweg, einhellig: Er sei das, was man in Wien einen Haberer nennt. Ein guter Typ, einer der wenigen PR-Profis aus dem SPÖ-Bereich, der – auch deshalb – überall mitmische. Als umgänglichen Menschen beschreibt ihn Daniel Kapp, einst Pressesprecher Josef Prölls und heute ebenfalls PR-Berater. Er sei aber auch mit allen Wassern gewaschen.

Wer Kalina einmal erlebt hat, kann das nachvollziehen. Dieser Mann könnte einen überzeugten Sozialdemokraten aus Ottakring bei ein, zwei Vierteln Wein dazu bringen, Neos zu wählen. Wären die Neos seine Kunden.


Kein Comeback. Eine Rückkehr in die Politik – die Tupperparty würde das sicher ermöglichen – kommt für Kalina nicht infrage. Er würde aber die Regierung beraten, wollte sie ihn für einen Changemanagement-Prozess, wie es in der PR-Sprache so schön heißt, engagieren. Sogar unentgeltlich. Ein bisschen juckt es ihn dann doch noch.

Wobei die Große Koalition auch ohne ihn den Neustart schaffen könne, meint Kalina. Die Steuerreform-Geschichte sei ganz gut gelaufen, erstmals hätten SPÖ und ÖVP etwas gemeinsam verkauft. Gelingen weitere Großprojekte, eine Bildungs- oder Pensionsreform, seien bei der nächsten Wahl sogar Zuwächse möglich. Für beide Parteien. „Bei weiteren Konflikten ist die gemeinsame Mehrheit jedoch in Gefahr.“

An die alten Zeiten denkt Kalina heute kaum noch. Auch nicht an jene SPÖ-Sitzung im Juni 2008, in der ihn Alfred Gusenbauer fallen ließ, weil der Kanzler selbst unter Druck geraten war. Auch Gusenbauer musste bald darauf gehen – und entdeckte die Vorzüge des Kapitalismus. Das Verhältnis, sagt Kalina, sei wieder intakt. „Aber beste Freunde werden wir nicht mehr.“

Steckbrief

Josef Kalina (57)
war Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Pressesprecher von Viktor Klima und Kommunikationschef der Wiener SPÖ.

2008
gründete er mit den Eigentümern der Werbeagentur Unique die PR-Agentur Unique Relations. 2014 kam Unique Research dazu. Es gehört Kalina und dem Meinungsforscher Peter Hajek.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

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