Demo in Wien: ''Stoppt die Ärztevertreibung''
Rund 1500 Spitalsärzte gingen auf die Straße, um gegen die neue Arbeitszeitregelung zu demonstrieren. Das Gehaltsschema könnte dennoch am Freitag im Landtag beschlossen werden.

„Unser Gesundheitssystem ist krank“, „382 Ärzte weniger – das geht an die Nieren“, „Nein zum Arbeitspaket, zurück an den Verhandlungstisch“. Slogans wie diese dominierten die erste „richtige“ Demonstration der Wiener Spitalsärzte im Streit um die Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes. Nach mehreren Kundgebungen ohne Umzug marschierten am Montagnachmittag rund 1500 Mediziner von der Spitalgasse zum Maria-Theresien-Platz, ...
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... wo kurz nach 18 Uhr die Schlussveranstaltung mit Auftritten unter anderem von Kammerpräsident Thomas Szekeres (Bildmitte) und Gernot Rainer, Gründer der neuen Ärztegewerkschaft Asklepios stattfand. Auch Vertreter von Ärztegruppen wie etwa der Primare oder der Ordensspitäler berichteten davon, wie sich die Einsparungen auf ihren Alltag auswirkten. Rund um die Route der Demo (Alser Straße, Landesgerichtsstraße) gab es Verkehrsbehinderungen mit Sperren und Staus, betroffen waren alle Zufahrten.
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Szekeres, der sich einige Buhrufe anhören musste, warf der Stadtregierung vor, die gemeinsam beschlossene Vereinbarung gebrochen zu haben, noch bevor sie in Kraft getreten sei. „Das Gesundheitssystem in Wien ist in keinem so guten Zustand, wie wir das gerne hätten“, sagte er. „Es gibt jetzt schon sehr lange Wartezeiten in den Ambulanzen. Auch bei den Operationen werden die Wartezeiten immer länger, sogar bei schweren Operationen.“ Auch Gangbetten seien „keine Fata Morgana“, wie von der Politik behauptet werde.
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Den stärksten Applaus bekam Asklepios-Obmann Gernot Rainer, der Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) davor warnte, Beschlüsse ohne die Zustimmung der Ärzte zu fassen. „Ansonsten werden wir uns wehren“, betonte er. „Das bedeutet zwar einen Arbeitskampf, aber wir sind bereit, diesen Kampf im Interesse unserer Patienten zu führen.“ Beendet wurde die Demo um kurz nach 19 Uhr mit einem Meer aus Wunderkerzen, die vor der Kundgebung an die Teilnehmer verteilt wurden.
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In den vergangenen Tagen waren mehrere Gesprächsrunden mit Vertretern der Stadt und des Krankenanstaltenverbundes (KAV) ergebnislos verlaufen. Zuletzt wurde der Ton immer rauer. Wehsely (SPÖ) warf der Kammer am Sonntag vor, bewusst eine Eskalation herbeizuführen, und kündigte an, dass ein maßgeblicher Teil des Arbeitszeitpakets bereits am Freitag im Landtag beschlossen werden könnte – nämlich das Gehaltsschema. Zuvor wird es aber noch am Dienstagmittag ein weiteres Treffen mit den Arbeitnehmervertretern und den Ärzten geben.
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Spätestens dann soll klar werden, „ob es einen gemeinsamen Weg gibt, oder nicht“, sagt Wehsely. Knackpunkt bei der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes, das eine Reduktion der Arbeitszeiten bei einem gleichzeitigen Anstieg des Grundgehaltes vorsieht, ist nach wie vor die geplante Reduktion von 382 Dienstposten, die für Unmut bei den KAV-Beschäftigten sorgt.
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Dass das Gehaltsschema am Freitag im Landtag beschlossen wird, ist nicht unwahrscheinlich. Denn die neuen, kürzeren Arbeitszeiten treten gemäß einer EU-Richtlinie in jedem Fall am 1. Juli in Kraft. Werden die höheren Gehälter zu diesem Zeitpunkt nicht schon ausbezahlt, droht ein deutlicher Verdienstentgang – da es Nachtdienste und damit verbundene Zulagen dann nicht mehr gibt. Die Arbeitszeitregelung an sich muss nicht mehr eigens im Stadtparlament beschlossen werden. Auch der Großteil der ausverhandelten begleitenden Maßnahmen im KAV sind nicht Landtagsmaterie, sondern Teil einer Betriebsvereinbarung – der die Gewerkschaft bereits zugestimmt hat.
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Der Auslöser für das Zerwürfnis zwischen Wehsely und Szekeres war ein von Stadt, Kammer und Gewerkschaft geschnürtes Paket, das bei einer Ärztebefragung mit klarer Mehrheit abgelehnt wurde. Daraufhin erklärte Szekeres seine Unterschrift für nichtig, was ihm Wehselys Vorwurf einbrachte, ein „instabiler Partner“ zu sein.
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Nach weiteren Gesprächen – mittlerweile mit dem Ärztekammer-Vizepräsidenten Hermann Leitner als Verhandlungsführer – zeichnete sich Anfang vergangener Woche dennoch eine Einigung ab, ehe die Stimmung nach einem Treffen am Freitagabend endgültig kippte. Beide Seiten ließen anschließend ausrichten, dass „eine Annäherung nicht in Sicht ist“.
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