Wurst versus Gendern

Paradox: Hier Conchita samt Epigonen, dort der Anspruch, dass das Geschlecht klar wahrgenommen zu werden hat.

Conchita Wurst ist nicht nur angetreten, um zu singen, sondern auch, um zu demonstrieren, dass das Geschlecht wurscht ist. Auf der persönlichen Website des Sängers steht wörtlich: Aussehen, Geschlecht und Herkunft sind völlig egal. Diese Meinung kann man natürlich haben, und der Zuspruch, den Conchita Wurst nicht zuletzt wegen dieser Haltung erntet, ist recht groß.

Freilich sollte weder Herkunft noch Geschlecht noch Aussehen die persönlichen Chancen im Leben negativ beeinflussen. Das sieht heute ohnehin wohl jede(r) so. Der Anspruch auf Chancengleichheit muss und darf aber nicht heißen, dass es im Leben völlig wurscht ist, ob man Frau oder Mann oder Intersexueller oder Transgender oder was auch immer ist.

Zu Ende gedacht, führt die Negation der Geschlechtsbedeutung ja zur allgemeinen sozialen Aufhebung derselben und damit zum Generalversuch, biologische Gegebenheiten qua „sozialer“ Maßnahmen zu neutralisieren. Ein Neutrum ohne echte weibliche oder männliche Attribute grinst uns da aus einer ziemlich merkwürdigen Zukunft entgegen. Wollen wir das? Oder anders gefragt: Welch furchtbar öde und letztlich völlig entsexualisierte Einheitsgesellschaft wird denn da herbeigewünscht? Wollen wir wirklich, dass lauter Neutra in völliger Wurschtigkeit ihren kleinen Lüstchen nachgehen? Und wie traurig ist diese Vision?

Doch nicht genug mit der Vision des allgegenwärtigen Neutrums. Zeitgleich zur herbeigesehnten Geschlechtsegalität beherrscht ein anderes, gegensätzliches Phänomen die Medien und den Alltag: das Gendern.

Frauen im Hintertreffen?

Die Genderbewegung will in zunehmender Kampfeslaune die Geschlechter durch sprachliche Begrifflichkeiten allgemein erkennbar machen. Jedes sprachliche Mittel wird dafür in Kauf genommen: vom wortverhunzenden Binnen-I bis hin zur Manie, an jedes Hauptwort ein -Innen anzuhängen.

Dafür kämpfen besonders die Feministinnen, weil sich diese nach wie vor gesellschaftlich im Hintertreffen fühlen – respektive meinen, den Frauen ginge es sozial noch immer fast so schlecht wie vor 100 Jahren. Und jetzt wird es paradox: Hier Conchita Wurst samt Epigonen und Fans mit dem bejubelten Wunsch nach geschlechtlicher Wurschtigkeit, dort der vehemente Anspruch, dass das Geschlecht klar und erkennbar wahrgenommen zu werden hat.

Ja was denn nun? Was wollen die kämpferischen Frauen? Conchita oder Gendern? Beides nebeneinander zu beklatschen und nach beidem zu streben ist wohl nicht möglich. Die Unmöglichkeit besteht zumindest so lang, als wir uns in logischen Begrifflichkeiten bewegen und seriös bleiben wollen.

Wenn wir jedoch alles wurscht finden möchten, dann ist es natürlich machbar, einerseits für Egalität zu sein und andererseits die Geschlechterdifferenz einzufordern. Weil's ja wurscht ist, was man fordert: Hauptsache, man fordert. Solange man aber ernst genommen werden will, kann man nicht den geschlechtlichen Einheitsbrei verlangen und simultan die Sprache so verändern wollen, dass die Geschlechter möglichst gut zu differenzieren sind. Das wird recht bald ziemlich absurd.

Dr. Marcus Franz (*1963 in Wien) ist Internist und NR-Abgeordneter des Teams Stronach.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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