Schweißen: Inniges Reiben verbindet

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Innovationen beim Schweißen haben schon Kriege entschieden. Nun geht es darum, Metalle so zu verbinden, dass Autos umweltfreundlicher werden. von Martin Walpot

Für Faust war es die Magie (und nicht die Philosophie), die erhellt, was die Welt im Innersten zusammenhält. Für das Institut für Werkstoffkunde und Schweißtechnik (IWS) der TU Graz ist es hingegen die Wissenschaft des Schweißens: „Die Schweiß- und Fügetechnik übt einen erheblichen wirtschaftlichen Einfluss aus und hat in hohem Maße zur Geschichte der modernen Technik beigetragen“, sagt Institutsvorstand Horst Cerjak. Wiewohl unbemerkt und oft vergessen, begleitet uns die Fügetechnik auf Schritt und Tritt: Schon ein Handy hat mehr als 2000 Fügestellen, von einem Flugzeug ganz zu schweigen.
Der Krieg ums Schweißen. Der Zweite Weltkrieg war auch Triebkraft vieler technischer Errungenschaften. Die „Liberty“-Schiffe, mit denen alliierte Truppen von den USA mit Kriegsmaterial beliefert wurden, waren nicht genietet, sondern erstmals großtechnisch verschweißt. Der Vorteil war die schnelle Produktion, der Nachteil das mangelhafte Wissen um die Schweißtechnik: Man beachtete nicht, dass sich die Mikrostruktur des Materials beim Schweißen verändert – der Stahl wurde beim Erkalten spröde. Das kalte Meerwasser tat den Rest: Feine Risse ließen über 450 Schiffe unbrauchbar werden oder sogar sinken. Auf der anderen Seite entwickelte der ukrainische Wissenschaftler J.O. Paton die „mechanisierte Unterpulverschweißung“. Dank dieser Erfindung konnte die Sowjetunion in kürzester Zeit ein Panzerheer aufstellen, das zum Sieg gegen Deutschland beitrug.


Fest und zäh. Mehr als ein halbes Jahrhundert des technischen Fortschritts später müssen „wir nach wie vor die zwei Hauptkriterien – Festigkeit und Zähigkeit – bei der Verarbeitung bzw. Verbindung von Metallen berücksichtigen“, sagt der Grazer Forscher Norbert Enzinger. Beide Eigenschaften werden beim herkömmlichen Schweißen, wo das Material aufgeschmolzen wird, zum Teil stark verändert: Es kann spröder werden und leichter brechen.

Was die Materialwelt auch in der Zukunft im Innersten zusammenhalten wird, ist ein innovatives Schweißverfahren namens „Friction Stir Welding“ (Rührreibschweißen; FSW). Dabei entsteht die Erwärmung im Wesentlichen durch Reibung: Der Schmelzpunkt des Metalls wird aber nicht erreicht, das Metall wird beim „Verrühren“ lediglich weich und behält weitgehend seine Eigenschaften. Experten nennen dieses Prinzip „Fügen in der festen Phase“ (siehe Abbildung).


Werkzeuge sind das Problem. Die Schweißtechnik wird ständig vor neue Herausforderungen gestellt. Ein modernes Auto beispielsweise muss leicht sein und gleichzeitig hohe Sicherheit bieten. Die Karosserie besteht heute oft aus verschiedenen Metallen, für Motorhaube und Dach nimmt man leichtes Aluminium. Das Problem liegt in der Verbindung dieser Materialien: Aufgrund ihrer unterschiedlichen Schmelzpunkte sind herkömmliche Schweißverfahren ungeeignet. Das FSW-Verfahren hat da einen Vorteil: „Damit können neben Aluminium und Stahl auch Nichteisenmetalle wie Magnesium, Kupfer, Titan und ihre Legierungen miteinander ,verrührt‘ werden“, erklärt der Forscher Thomas Weinberger. Bisher hielt es die Lehrmeinung für unmöglich, so unterschiedliche Metalle miteinander fest durch einen Schweißprozess zu verbinden. Die Serienproduktion beschränkt sich derzeit auch noch auf die Verbindung von Aluminium und wird vom Schiffbau bis hin zur Luft- und Raumfahrt verwendet. Ziel am IWS ist es, in Zukunft mit diesem Verfahren auch Stahl mit Stahl zu verbinden.

An diesem Problem wird bereits eifrig geforscht: „Nicht die Maschine ist das Problem, sondern das Werkzeug“ sagt Gunter Figner, einer der rund 30 Mitarbeiter des Instituts. „Das Werkzeug muss aus Gründen der Verschleißbeständigkeit härter als das zu fügende Metall sein, ohne dabei wie sprödes Glas zu bersten. Außerdem muss jedes Werkzeug an die Geometrie des Werkstücks angepasst werden.“ Eine für das Institut bisher teure Angelegenheit – und ein Geduldsspiel: Ein Schweißaufsatz kostete bis zu 10.000 Euro und hielt nur etwa zehn Meter Schweißstrecke.


Zusammenarbeit mit Wirtschaft. Sechs Monate mussten die Forscher im Durchschnitt auf ihr Werkzeug warten? und entschieden sich dann, es selbst zu entwickeln. „Zusammen mit der Firma Boehlerit haben wir ein Werkzeug aus einer speziellen Wolfram-Legierung entwickelt, das nur 500 Euro kostet und wesentlich länger hält“, berichten die Forscher. Die Anstrengungen machen sich offenbar bezahlt: „Wir haben weltweit Interessenten.“

Kooperation wird am IWS großgeschrieben. Aufgebaut wurde ein weltweites Netzwerk aus führenden Forschungsinstitutionen. Und auch die Zusammenarbeit mit der Industrie ist extrem wichtig – um Wissenschaft und Praxis miteinander zu vereinen.

So entstand im Jahr 2005 ein vierjähriges Projekt namens JOIN, das im Rahmen des österreichischen Kompetenzzentrenprogramms K-ind gefördert wird. Zusammengesetzt ist es aus 28 Wirtschaftspartnern, darunter Unternehmen wie Voestalpine, Fronius, Magna und Boehlerit, sowie vier wissenschaftlichen Institutionen. Das Ziel des Projekts ist es, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fügetechnik weiter zu verbessern, um die Zukunftssicherung der österreichischen Fertigungsindustrie zu gewährleisten. Ein Antrag um Verlängerung („JOIN 4+“) bis 2013 als K1-Zentrum im Rahmen des vom Wirtschafts- und Infrastrukturministerium geförderten Comet-Programms hat bereits die erste Hürde genommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2009)

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