Sudetendeutsche: "Aus der Geschichte könnte man lernen"

70 Jahre Kriegsende - Vertreibung der Sudetendeutschen als Denkanstoß
70 Jahre Kriegsende - Vertreibung der Sudetendeutschen als Denkanstoß(c) imago stock&people (imago stock&people)
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70 Jahre nach der Vertreibung der Sudetendeutschen finden in Tschechien "Versöhnungsmärsche" statt. Der Historiker Perzi ortet Fortschritte bei der Aufarbeitung.

Vor 70 Jahren wurden die Sudetendeutschen enteignet, entrechtet und aus der ehemaligen Tschechoslowakei vertrieben. "Aus der Geschichte könnte man lernen, aber oft gelingt es nicht", sagt Niklas Perzi, Historiker am Zentrum der Migrationsforschung. "Das ist ja auch ein sehr aktuelles Thema. Österreich als Aufnahme- oder auch Nicht-Aufnahmeland von Flüchtlingen."

Unmittelbar nach Ende des zweiten Weltkrieges und der NS-Diktatur begann das letzte Kapitel im Zusammenleben von Tschechen und Deutschen in den Böhmischen Ländern. "360.000 Menschen sind 1945 und 1946 nach Österreich gekommen, rund 114.000 davon konnten auch hierbleiben, ein Großteil in Oberösterreich sowie Niederösterreich und Wien", erklärt Perzi. Der Rest wurde nach Deutschland abgeschoben.

"Versöhnungsmärsche" 70 Jahre danach

70 Jahre danach finden einige Veranstaltungen wie "Versöhnungsmärsche" nach Romau, einer Wüstung in Südmähren, Tschechien, wo ehemals ein blühendes Dorf war, oder Brünn statt. Die Veranstaltungen sollen daran erinnern, dass damals insgesamt rund drei Millionen Menschen ihre Heimat verloren haben.

Das Hauptthema ist für den Historiker, wie sich die tschechische (und auch die slowakische) Gesellschaft dieser komplexen Frage, die politisch bis heute nicht ganz gelöst ist, stellt. "Ich sehe absolut eine Veränderung, sonst würde die Stadt Brünn etwa keinen Gedenkmarsch unterstützen. Es tut sich aber seit einigen Jahren bereits etwas, was sicher auch mit dem Generationenwechsel in Politik und Gesellschaft zu tun hat."

Im ersten österreichischen Museum für Alltagsgeschichte in Neupölla (Bezirk Zwettl) wird am 9. Mai die Ausstellung "Langsam ist es besser geworden. Vertriebene erzählen vom Wegmüssen, Ankommen und Dableiben" eröffnet.

"Ethnische Vertreibungen gehen ungebrochen weiter"

Viele, die damals flüchten mussten, waren noch Kinder. Jahrzehnte später erinnern sie sich im Rahmen der Ausstellung an das Ankommen in Österreich, an das Betteln um Essen und die Suche nach einem Dach über dem Kopf. "Gekommen aus einem Land, das es nicht mehr gibt, leben manche der Betroffenen oder deren Nachkommen bis heute in einem für sie fremden Land", so Perzi.

Der Historiker betont, dass "die ethnischen Vertreibungen ungebrochen weitergehen, da muss man nur nach Ex-Jugoslawien schauen oder in den arabischen oder afrikanischen Raum."

(Patricia Otuka-Karner/APA)

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