Forscher können Gedanken lesen

(C) CSL/ KIT
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Am Institut für Technologie in Karlsruhe entstand ein System, das Wörter schon anhand der Gehirnströme erkennt, bevor sie überhaupt ausgesprochen werden.

Karlsruhe. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben aus Gehirnströmen Laute, Wörter und Sätze rekonstruiert und somit quasi Gedanken lesen können.

Ausgewertet wurden Daten der Gehirnströme von sieben Epilepsiepatienten: Ihnen lag beim Sprechen ein Elektrodennetz direkt auf der Großhirnrinde des für ihre Behandlung freigelegten Gehirns. Mit Elektroden, die außen auf den Kopf gelegt werden, sind solche Aufzeichnungen noch unmöglich. Dennoch: „Zum ersten Mal können wir das Gehirn beim Sprechen beobachten“, sagte die Informatikerin Tanja Schultz. Man könne sehen, wie das Gehirn den Sprechvorgang plant und die Muskeln der Artikulationsorgane aktiviert, bevor die Sprache hörbar wird. Sichtbar gemacht wurden die Aktivitäten über Farben: je höher die Aktivität, umso heißer die Farbe.

Die Patienten waren zuerst gebeten worden, Texte vorzulesen, etwa von John F. Kennedy oder Kinderreime. Die Forscher wussten also, welche Laute wann gesprochen würden und legten mithilfe der Hirnströme Datenbanken mit Prototypen von etwa 50 Lauten an. Auf Basis von Algorithmen gelang es später, nur anhand der Gehirnströme zu verstehen, was gesagt wird. Dazu wurden Laute im Kontext von Wörtern und Phrasen betrachtet. Man bekomme damit schon „ganz schöne Ergebnisse“, hieß es. In der Publikation heißt es, man habe bei der Worterkennung bereits eine Fehlerquote von kaum 25 Prozent erreichen können.

Knackpunkt der vierjährigen Arbeit ist die geringe Datenbasis von sieben Patienten, von denen je maximal fünf Minuten Sprachmaterial vorliegen. Man will die Analysen ausweiten. Neben einem besseren Verständnis der Sprachprozesse könnte dieses Brain-to-Text-System helfen, um Locked-in-Patienten Kommunikation zu ermöglichen. Solche Menschen sind, etwa nach Schlaganfällen, bei Bewusstsein, aber völlig gelähmt und unfähig, sich verständlich zu machen.

Wie einst bei Clint Eastwood

Man denkt auch an Gedankenschnittstellen zwischen Mensch und Maschine, über die man durch Denken Apparate steuern kann. Das erinnert an den Film „Firefox“ von 1982, in dem Clint Eastwood als US-Spion ein neues Sowjet-Kampfflugzeug stiehlt, dessen Waffen gedankengesteuert sind. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2015)

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