Zuwanderung: Probleme negieren hilft niemandem

Alarmierende Trends zeigen sich gerade auch in der Arbeitslosenstatistik.

Die Zahl der Zuwanderer nach Österreich hat in den letzten Jahren stark zugenommen, und auch ihre Herkunft hat sich verändert: Während 2005 noch etwa 60Prozent von ihnen aus Drittstaaten stammten, kommen mittlerweile sechs von zehn Neuzuwanderern aus EU-Staaten, fast 80Prozent davon aus den neueren Mitgliedsländern. Rumänische Staatsbürger lagen dabei 2014 an erster Stelle. Unverändert ist ein zentraler Aspekt: Der Großteil der Zuwanderer ist im erwerbsfähigen Alter. Damit unsere Systeme weiterhin tragfähig sein können, muss jeder, der dazu in der Lage ist, einen Beitrag leisten.

Hier gibt es alarmierende Entwicklungen: Die Arbeitslosenzahlen für Mai 2015 zeigen, dass heute bereits deutlich mehr als ein Viertel der in Österreich arbeitslos gemeldeten Personen ausländische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen sind: Von insgesamt über 330.000 arbeitslosen Menschen waren im Mai über 90.000 ausländische Staatsbürger. Besonders ernüchternd: Im Vergleich zu 2014 ist die Arbeitslosigkeit bei Ausländern im Mai 2015 um ein Viertel angestiegen, bei Staatsbürgern aus Rumänien beträgt der Anstieg sogar mehr als ein Drittel.

Dramatische Wiener Zahlen

Massiv betroffen ist die Bundeshauptstadt Wien. Etwa die Hälfte der im Mai 2015 arbeitslos gemeldeten Ausländer lebt in Wien. Und auch der Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat lag in Wien mit dramatischen 35Prozent deutlich über dem Bundesschnitt, bei rumänischen Staatsbürgern beträgt der Anstieg hier 58Prozent.

Ausländer und Ausländerinnen sind in Österreich aber nicht nur häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen, auch beim Bezug von Leistungen des österreichischen Sozialstaates ist ihr Anteil beträchtlich: So kommt mittlerweile bereits etwa ein Drittel der Bezieher einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) aus dem Ausland. Wie auch der kürzlich veröffentlichte Wiener Sozialbericht 2015 bestätigt, ist der Anteil der ausländischen BMS-Bezieher in Wien von 2011 um ein Sechstel auf 35Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Die aktuellen Entwicklungen sind hier noch gar nicht berücksichtigt.

Attraktiv für Einwanderer

Dass es gerade bei den Leistungen des Sozialstaates immer noch sehr schwer möglich ist, von den zuständigen Stellen aktuelle und differenzierte Daten zu erhalten, ist problematisch. Es verhindert die notwendige Differenzierung und die Arbeit an Lösungen. Transparenz ist hier gefordert.

Österreich braucht qualifizierte Zuwanderung und die Chancen, die sie bietet, sind zu nützen. Wer nach Österreich kommt, um sich etwas aufzubauen, soll willkommen sein. Wer nach Österreich kommt, um Schutz vor Verfolgung zu suchen, soll ihn hier finden und soll so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen können. Hierfür müssen wir auch an der Verbesserung einer österreichischen Willkommenskultur arbeiten.

Bestehende Probleme aber kleinzureden oder gar zu verschleiern hilft niemandem, sondern verhindert die Lösungsfindung. Die Zahlen belegen, dass Österreich heute ein enorm attraktives Einwanderungsland ist. Dass dabei auch unsere sozialen Leistungen im Vergleich zu den Durchschnittseinkommen anderer EU-Mitgliedsländer eine Rolle spielen, liegt auf der Hand.

Lösungen können nur auf der Grundlage von Fakten und den verfügbaren Zahlen und Daten gefunden werden. Dafür braucht es Mut und Ehrlichkeit, kritische und unangenehme Wahrheiten anzusprechen. Jeden Änderungsbedarf zu ignorieren und wegzureden wird unseren Staat bald vor unerfüllbare Aufgaben stellen.

Mag. (FH) Franz Wolf ist Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2015)

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