Durch die gläserne Decke

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Pharma. Ein hoher Innovationsgrad, viel Eigenverantwortung sowie flexible Arbzeitszeitmodelle – diese ausgezeichneten Rahmenbedingungen zogen schon immer viele Frauen in den Sektor. Nun erklimmen
weibliche Managerinnen auch zunehmend die obersten Sprossen der Karriereleiter.

Die gläserne Decke in der Pharmabranche wird immer öfter durchbrochen: Mehr und mehr Frauen schaffen den Sprung in die obersten Führungsetagen. Laut Informationen der Pharmig, des Verbandes der pharmazeutischen Industrie in Österreich, werden bereits rund zehn Prozent der Unternehmen in diesem Sektor von weiblichen Managern geführt – Tendenz steigend.

„Der Frauenanteil in den Firmen
wächst kontinuierlich“, sagt Gabriele Grom, Managing Director bei Merck Sharp & Dohme (MSD) in Österreich: „Somit drängen auch immer
mehr weibliche Kollegen in die Führungsetagen.“ Bei MSD sind rund 60 Prozent der Mitarbeiter in den Bereichen Außendienst sowie mittleres Management weiblich, bei den Führungskräften bereits vier von fünf. Ähnlich auch die Situation bei der Actelion Pharmaceuticals Austria GmbH. Der Frauenanteil im Unternehmen – das in Österreich 20 Mitarbeiter beschäftigt – liege bei 80 Prozent, so General Manager Martina Schmidt. „Aufgrund der großen Zahl weiblicher Mitarbeiter ist natürlich auch der Talentepool für Führungspositionen größer“, sagt
Grom.

Die große Attraktivität, die die Branche auf weibliche Bewerber ausübt, bestätigt auch Johanna Fitz, Mitglied der Geschäftsführung des Pharmaspezialisten Eblinger & Partner. Männer und Frauen haben natürlich dieselben Karrierechancen
in der Branche, betont die Personalexpertin: „Die Unternehmen suchen primär nach den Besten für den Job, da spielt das
Geschlecht eine untergeordnete Rolle.“ Allerdings, so Fitz, kommen die Rahmenbedingungen in diesem Sektor Frauen sehr entgegen,
„da sie gern Vielseitigkeit, Kreativität sowie die Möglichkeit zur Mitgestaltung und die Übernahme von Verantwortung schätzen“. Positionen
im Verkaufs- und Außendienstbereich bestechen darüber hinaus noch durch ein Arbeitsumfeld, das von sehr viel Flexibilität
und Einfühlungsvermögen geprägt ist, so die Personalberaterin.

„Wir retten Leben“

betont Rana Krasser, General Manager bei der
Novo Nordisk Pharma GmbH, die Attraktivität der Branche. Sie betont außerdem die „frauenfreundlichen“ Rahmenbedingungen. „Wenn für
Novo Nordisk spreche, dann nur deshalb, weil der Konzern in Dänemark flexible Arbeitsmodelle anbietet und die Frauen daher auch ihr
Leben flexibler gestalten“, sagt Krasser, die seit 2005 die Niederlassung des dänischen Konzerns leitet. Ähnlich argumentiert auch Grom: „Der Konzern setzt stark auf Diversity und Frauenförderungsprogramme.“ Als innovativ, spannend, frauenfreundlich beschreibt Schmidt die
Pharmaindustrie. Diese zeichne sich neben dem hohen Frauenanteil vor allem durch einen überdurchschnittlichen Innovationsgrad sowie eine große Wertschöpfung in Österreich aus. „Die Branche ist im Vergleich zu anderen allerdings
sehr stark reguliert“, sagt Grom. „Das Geschäft mit der Gesundheit ist sehr sensibel.“

Krisensicherer Sektor

Die Expertinnen sind sich darüber einig, dass die aktuelle wirtschaftliche Situation in der Branche noch nicht besonders stark zu spüren
sei. „Derzeit merken wir nichts von der Krise, was den Absatz der Medikamente betrifft“, sagt Schmidt. „Natürlich steigt auch in
unserer Branche das Kostenbewusstsein“, meint Grom. „Wir sind jedoch weit weniger von der Krise betroffen als andere Branchen.“
Während andere Sektoren Umsatzeinbrüche im hohen zweistelligen Bereich erleben, erwartet die Managerin ein kleines Wachstumsplus
von drei Prozent – nach etwa fünf Prozent in den Jahren davor – für 2009. „Aber wir bereiten uns auf mögliche Auswirkungen natürlich
vor“, sagt Krasser. Geteilter Meinung sind die Managerinnen darüber, ob ihr Führungsstil „weiblich“ geprägt sei.


Während Krasser verneint, räumt Grom „weibliche Führungsqualitäten“ ein. Konkret nennt die Mangerin dabei ein größeres Maß an Empathie
sowie eine stärkere Fokussierung auf den Mitarbeiter als Menschen. Krasser betont, dass sie vor allem versuche, authentisch zu wirken.


„Ich versuche möglichst viele Meinungen einzuholen und einen Konsens zu erreichen, wenn es zweckdienlich ist. Ich kann nicht ein
bestimmtes Handeln von meinen Mitarbeitern verlangen, wenn ich selbst nicht so agiere.“ Ihrer Vorbildwirkung gegenüber weiblichen  Berufseinsteigern und Nachwuchshoffnungen sind sich die Top-Führungskräfte bewusst. „Auf jeden Fall versuche ich ein Role Model zu sein“, sagt Krasser. Allerdings, so ergänzt Schmidt, hoffe sie nicht, dass sie von anderen imitiert werde.
„Ich habe auch nie versucht, jemandem nachzuahmen.“ Leistung gefordert Berufseinsteigern und Young Professionals empfehlen die Managerinnen vor allem ein hohes Maß an Leistungsorientierung. „Der Pharmabereich bietet sehr viele Möglichkeiten:
im Verkauf, im Marketing oder im medizinischen Bereich“, sagt Krasser. Um diese nutzen zu können, benötige man breites Wissen, Leistungsbereitschaft, sowie vernetztes Denken, ergänzt Grom.

Sie empfiehlt den Jungen weniger Sturm und Drang in Sachen Karriere, sondern setzt auf Geduld: „Um nach oben zu kommen, muss man gewisse Zeiten durchstehen, in denen man die Ärmel
aufkrempeln muss.“ Um bis in die Chefetagen vorzustoßen, sei es außerdem notwendig, so Schmidt, „das Geschäft von der Pike auf zu
lernen“. Personalexpertin Fitz rät Berufseinsteigern, sich genau über das Umfeld zu informieren und sich einen Berater oder Mentor zu
suchen. „Als erster Schritt dient eine Standortanalyse. Dabei kann man auch ausloten, was man nicht will.“

(Die Presse, Printausgabe, 9. 5. 2009)

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