Die Unis könnten viel mehr – ließe man sie nicht verhungern

Die Universitäten können, wollen und müssen sich gesellschaftlich stärker engagieren. Allein, es fehlt an Geld.

Das laue Interesse an Wissenschaft und Bildung gefährdet die Zukunft Österreichs. Eine unheilige Allianz zwischen taubohriger Politik und mangelnder Wertschätzung durch Otto Normalverbraucher kostet uns bereits Spitzenplätze in Wissenschafts-, Uni- und Innovationsrankings. Ohne sofortige Maßnahmen wird auch der Wirtschaftsstandort weiter abrutschen.

Erträumt werden die weltbesten Universitäten und Forschungseinrichtungen, Realität ist jedoch die Mangelwirtschaft. Grundlagenforschung und Universitäten sind pro Kopf der Bevölkerung im Vergleich zu Deutschland um krasse 50 Prozent unterfinanziert, von der Schweiz ganz zu schweigen. Was steigt, ist der Anteil an jungen Leuten, die nicht ordentlich lesen können; ein Schelm, wer dabei einen Zusammenhang mit den Blauwählern unter jungen Unterschichtmännern sieht. Was es nicht wahrscheinlicher macht, dass es ausgerechnet unter einem Bundeskanzler H.-C. Strache mit Unis und Forschung wieder aufwärts gehen würde, aber wer weiß?

Das hohe Vermittlungspotenzial der Uni Wien zeigte ihr inhaltlich fantastisches Campus Festival im Juni im Alten AKH. Perfekt organisiert war ein Parcours, bei dem über 50 unterschiedliche Gruppen der Uni Wien Wissenschaft zum An- und Begreifen boten; in einem Future Lab gaben 20 Spitzenforscher ihre Zukunftsprognosen ab; den Rahmen bildete ein reiches Kinder- und Kulturprogramm. Alles im Stil eines höchst aktuellen und lebendigen Wissenschaftsmuseums. Es kamen gerade einmal 30.000 Besucher. Zwar konkret Interessierte, wie ich bezeugen kann, aber zu wenige.

Dies sei der ersten Hitzewelle des Jahres geschuldet, hieß es. Zu geringes Interesse an Wissenschaft und Universität wäre wohl die ehrlichere Deutung. So kamen etwa bloß ein Prozent der in Wien und Umgebung lebenden Leute, die Besucherzahl entspricht gerade 30 Prozent der Studierenden an der Uni Wien. Die Bringschuld wurde spektakulär erfüllt, die Holschuld offenbar weniger.

Es muss jedenfalls viel mehr getan werden, um die österreichische Mentalität fit für die Zukunft zu machen, wie der Gegensatz zwischen faszinierendem Angebot und der mageren Besucherzahl belegt. Diese Wissenschaftsshow wünschte man sich als permanente, sich dynamisch mit dem Stand der Forschung entwickelnde Einrichtung, als Angebot an Schulen und Öffentlichkeit. Die Unis zeigen vielfach mit ambitionierten Außenprojekten, dass sie wollen und können. Wenige Beispiele von vielen sind etwa manche Kinderunis, die Seniorenuni 55 Plus in Salzburg und natürlich die Jubiläumsaktivitäten dreier Universitäten in Wien.

Die Unis können, wollen und müssen sich gesellschaftlich stärker engagieren. Allein, es fehlt an Geld. Josef Penninger und andere kluge Köpfe fordern schon lang eine Verdopplung der Budgets für Wissenschaft und Forschung. Damit könnten die Universitäten nicht nur die exzellente Ausbildung der Studierenden sicherstellen, sondern auch permanente und offenbar höchst notwendige Angebote im Stil des Campus Festivals schaffen.

Wider jede Vernunft geht mit der Universitäts- und Wissenschaftsfinanzierung aber nicht viel weiter. Das lässt den bösen Verdacht aufkommen, dass eine Entwicklung in Richtung einer aufgeklärten Gesellschaft erst gar nicht gewünscht ist. Ständestaat und so ... eh schon wissen. Und wieder einmal hoffe ich, dass mich bloß meine sommerhitzebedingte Paranoia narrt.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2015)

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