Den Blick in die Sterne schärfen

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Von der Erde aus misst man nicht die direkten Eigenschaften von Sternen, sondern ihrer Atmosphäre: Jetzt neu in 3-D.

Was sehen Sie, wenn Sie den klaren Nachthimmel beobachten? Genau, viele, viele kleine Lichtpunkte, die einmal mehr und einmal weniger stark funkeln – die Sterne. Das Licht von nahen Sternen braucht zu uns auf die Erde viele Jahre, wenn es sich um Sterne in fernen Galaxien handelt, sogar Milliarden von Jahren. Die meisten Sterneigenschaften lassen sich daher aufgrund der großen Entfernungen von der Erde nicht direkt messen. Alles, was wir von Sternen sehen, kommt von der Sternoberfläche, genauer gesagt, aus deren Atmosphäre, die für uns ein „Fenster“ ins Innere der Sterne ist. Im Gegensatz zur Erdatmosphäre gibt es keine scharfe Grenze zu den darunterliegenden inneren Schichten des Gasballes. Aber ähnlich wie bei unserer Erdatmosphäre nehmen die Dichte, der Druck und die Temperatur nach innen zu.

Dem Forschungsteam rund um Werner Weiss vom Institut für Astronomie an der Universität Wien ist es nun in einem FWF-Projekt erstmals gelungen, auch den Tiefenverlauf einer Sternatmosphäre darzustellen, also ein 3-D-Bild zu bekommen.

Wo liegt die Bedeutung solcher Beobachtungen? Sie erlauben die Überprüfung von Atmosphärenmodellen, die durch Anwendung physikalischer Gesetze entwickelt wurden. Dabei ist es sehr oft notwendig, Näherungsformeln zu verwenden, die exakten Zusammenhänge sind viel zu komplex. Aufgrund solcher Modelle gibt es zwar schon ein sehr umfangreiches Bild vom Aufbau der Sterne und deren Entwicklung im Laufe ihres „Sternenlebens“, aber die Überprüfung der Modelle durch Beobachtungen bleibt eine große Herausforderung für die Astronomen. Letzteres spiegelt sich im Bau immer größerer und leistungsfähigerer Teleskope wider, die mit modernsten Zusatzgeräten ausgestattet sind.

Der Beobachtung noch einigermaßen zugänglich ist die Sternatmosphäre. Hier helfen ausgeklügelte neue Methoden wie die Neutrinoastronomie. Sie nutzt die Neutrinos, also elektrisch neutrale Elementarteilchen, die in großer Zahl bei den Kernfusionsreaktionen im Sterninneren entstehen, als Informationsquelle. Ihr Vorteil: Sie können das Plasma nahezu ungehindert durchdringen.

So dienen Neutrinos dem Überprüfen von Modellen, die das Innerste von Sternen beschreiben, also den Ort, wo die Kernreaktionen ablaufen. Neutrinos spielen auch bei Supernovaexplosionen am Ende der Sternentwicklung eine wichtige Rolle. Die Eigenschaft der Neutrinos, nämlich (fast) ungehindert Materie durchdringen zu können, ist aber auch ihr Problem, denn sie lassen sich dadurch nur schwer nachweisen. Es ist auch noch von keinem „normalen“ Stern – außer unserer Sonne – der Neutrinofluss gemessen worden.


Die Schwingungen der Sterne. Zum Glück gibt es noch eine andere Möglichkeit, in das Innere von Sternen zu „schauen“, nämlich die Asteroseismologie. Dabei wird aus dem Schwingungsverhalten eines Sterns auf dessen Aufbau geschlossen. Auch den Aufbau der Erde hat man auf ähnliche Weise erforscht. Da Wissenschaftler mit der tiefsten Bohrung nur etwas mehr als zwölf Kilometer in die Erdtiefe vorgedrungen sind, die Erde aber einen Durchmesser von rund 12.700 Kilometern hat, konnte man nur aufgrund von Erdbebenwellen den Aufbau des Erdinneren rekonstruieren.

Die meisten Sterne pulsieren, schwingen – aber nicht alle. Die Mechanismen dafür sind vielfältig. Bei der Sonne handelt es sich um Konvektion, also heiße Blasen, die aufsteigen, abkühlen und dann wieder absinken. Dabei regen sie die äußeren Schichten der Sonne zum Schwingen an. Beim sogenannten Kappa-Effekt sind bestimmte Materialeigenschaften für die Schwingungen verantwortlich: Der Stern dehnt sich aus, wird durchsichtig, kühlt ab, wird dabei dichter, die Materie beginnt, Energie zu verschlucken, der Stern wird dadurch heißer und dehnt sich wieder aus. Auch rhythmisch an- und abgeschaltene Kernreaktionen führen zu Schwingungen.


Sterne in 3-D. „Modellatmosphären sind wichtige Komponenten von Pulsationsmodellen“, so Werner Weiss. „Während unseres Projektes haben wir Sternatmosphären Schicht für Schicht zerlegt und damit ein 3-D-Bild bekommen. Dabei haben wir auch Effekte von Magnetfeldern und Pulsation berücksichtigen müssen. Zur Verfügung standen uns dabei Beobachtungen von Forschungssatelliten, wie auch von Großobservatorien auf der Erde. In dieser Komplexität sind unsere Untersuchungen einzigartig und wären ohne das äußerst engagierte und professionelle Team nicht möglich gewesen“, so Werner Weiss. „Sterne sind die zentralen Brennöfen des Universums. Ohne Sterne gäbe es keine chemische Entwicklung des Alls, und ohne Letztere gäbe es uns Menschen nicht. Wir müssen die Entwicklung von Sternen verstehen, damit wir etwas über die Vergangenheit und die Zukunft des Universums aussagen können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2009)

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