Gaming-Zukunft: Computerspiele am Scheideweg

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Zwei unterschiedliche Konzepte kämpfen um die Gunst der Spieler. Einerseits versuchen aufwendig produzierte Spiele in ihre Welt zu entführen. Auf der anderen Seite werden simple "Casual Games" immer beliebter.

In der Computerspielbranche gibt es derzeit zwei scheinbar gegenläufige Entwicklungen zu beobachten: Einerseits versuchen aufwendig produzierte Spiele mit realistischer Grafik und möglichst viel Freiraum, die Grenzen des Machbaren immer weiter zu verschieben und den Spieler in ihre Welt zu entführen. Auf der anderen Seite werden simpel gestrickte „Casual Games“ immer beliebter. Unabhängig davon reitet die Spielebranche derzeit auf einer Erfolgswelle. Die Wachstumsraten sollen laut Price-Waterhouse-Coopers bis 2012 sogar die der restlichen Unterhaltungsindustrie überholen.

„Games werden die wichtigste Kunstform des 21.Jahrhunderts“, erklärte Henry Jenkins, Professor für Medien am MIT. Derselben Ansicht ist auch Computerspiel-Insider Bruno Beusch, der anlässlich eines von Toshiba ausgerichteten Gaming-Workshops über aktuelle und zukünftige Trends in der Spielebranche berichtete. Beusch ist Leiter des Spiele-Events Gamehotel und stand schon mit Gaming-Legenden wie Peter Molyneux oder Crytek-Chef Cevat Yerli auf der Bühne.

Mehr Freiheit. Die Spiele von morgen werden dem User noch mehr Freiheiten bieten als bisher. Schon jetzt können Missionen in Crysis oder GTA IV auf unterschiedliche Weise gelöst werden. Auch ist gerade Letzteres für seine offene Welt bekannt und wird daher zum Teil als „Sandbox-Game“ bezeichnet, weil sich der Spieler darin wie in einer Sandkiste austoben kann. Diese Freiheit birgt aber Probleme: Statt sich in der Geschichte und dem Erlebnis zu verlieren, verliert sich der Spieler in der Welt und wird von den Entwicklern ratlos oder mit zu simplen Aufgaben zurückgelassen. Beusch sieht in der Lösung dieses Problems eine große Herausforderung. Selbst Steven Spielberg hat sich schon damit befasst – bisher leider ohne Erfolg.

Minispielboom. Als Kontrapunkt zu den groß produzierten, den Spieler verschlingenden Games stehen kleine Spiele da, die sich bequem und ohne große Lernkurve in der Mittagspause spielen lassen: Casual Games. Hier schlummert in sozialen Netzwerken wie Facebook und Co. ein riesiges Potenzial. Ohne Zusatzsoftware oder Kosten können Menschen, die sich normalerweise nicht als Gamer bezeichnen würden, die Welt der Computerspiele kennenlernen – böse formuliert könnte man es Einstiegsdroge nennen. Sehr erfolgreich in dem Bereich ist der Entwickler Playfish, dessen Spiel „Pet Society“ auf Facebook sehr beliebt ist. Eine Gefahr der Casual Games ist, dass sie durch ihre wachsende Beliebtheit nötige Ressourcen und Geld von größeren Big-Budget-Games abziehen. Darunter könnten opulente Action- oder Strategietitel leiden.

Alles gratis. Ein weiterer Trend, der sich beobachten lässt, ist ein Konzept, das in der Branche als „Free2Play“ bezeichnet wird: Der Spieler zahlt nichts für das Game, die Einnahmen kommen entweder durch Werbung (wie bei zahllosen Flash-Games im Internet) oder aber durch „Micro-Transactions“: Kleine Beträge, mit denen sich der Spieler zusätzliche Ausrüstung oder Funktionen freischaltet. Dieses System ist besonders für Online-Rollenspiele wie „World of Warcraft“ angedacht. Laut Beusch wird dieses Konzept „die Branche noch auf den Kopf stellen“.

Welche Art von Spielen auch immer die Oberhand behalten wird, eines steht fest: Das Medium Computerspiele wird sich in den nächsten Jahren immer mehr in unserem Leben verankern. Denn die Generation, die mit Computerspielen aufgewachsen ist, wird jetzt gerade erst erwachsen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2009)

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